Therapieplatzsuche

Schritt für Schritt zum Psychotherapieplatz

Warteliste, Konsiliarbericht, Sprechstunde: Betroffene beschreiben die Suche nach einem Psychotherapieplatz oft als Labyrinth.

Ein Wegweiser in sechs Schritten.

Therapieplatzsuche

Schritt für Schritt zum Psychotherapieplatz

Warteliste, Konsiliarbericht, Sprechstunde: Betroffene beschreiben die Suche nach einem Psychotherapieplatz oft als Labyrinth.

Ein Wegweiser in sechs Schritten.

16. Juni 2023 - 4 Min. Lesezeit

Jedes Jahr machen Millionen Menschen in Deutschland eine Psychotherapie. Sie ist eine wirksame Behandlungsmethode für viele verschiedene psychische Erkrankungen. Der Weg dorthin aber ist weit, und der erste Schritt ist nicht der einzige schwere.

Schritt 1

Der Bedarf

Ob die Suche nach einem Psychotherapieplatz sinnvoll ist, hängt von Ihren Symptomen ab. Wenn Sie Suizidgedanken haben oder an Verfolgungswahn leiden, dann sollten Sie lieber den Notarzt rufen, in einer Notaufnahme vorstellig werden oder eine psychiatrische Klinik aufsuchen. Wenn Ihre Symptome weniger akut sind, können Sie gemeinsam mit einer Therapeutin in einer Sprechstunde klären, ob sich eine Psychotherapie für Sie eignet. Die Suche dauert oft lang, wenn nötig, kann Ihre Hausärztin Sie eine Weile krank schreiben. Übergangsweise können auch psychosoziale Angebote oder wirksame Therapie-Apps wie deprexis oder Selfapy helfen, die teils von Krankenkassen bezuschusst werden.

Schritt 2

Die Kontaktaufnahme

Für Ihren ersten Termin bei einem Therapeuten ist keine Überweisung nötig. Ähnlich wie bei Fachärztinnen können Sie telefonisch oder per Mail einen Termin für eine Sprechstunde vereinbaren. Wer gesetzlich versichert ist, sollte nach Therapeuten mit Kassensitz Ausschau halten. Nur diese können mit Ihrer Versicherung abrechnen. Achtung: “Therapeut” ist keine geschützte Berufsbezeichnung, suchen Sie nach “Psychologischen Psychotherapeuten” oder “Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie”.

Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf den Webseiten der Landespsychotherapeutenkammern, Pro Psychotherapie e.V., der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) oder der Plattform therapie.de. Google-Suchen, gelbe Seiten, Empfehlungen aus Ihrem Bekanntenkreis oder von Ihrer Krankenkasse helfen auch. Gesetzlich Versicherte können die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung unter der Nummer 116 117 kontaktieren. Diese bietet Ihnen innerhalb von einer Woche einen Termin für eine Sprechstunde an - allerdings nicht bei Ihrem Wunschtherapeuten. Bei Ausbildungsinstituten sind Erstgespräche oft mit weniger Wartezeit verbunden. Dort behandeln Therapeuten, die vor dem Ende ihrer Ausbildung stehen, aber einer beständigen Supervision unterliegen. Auch Gruppentherapieplätze können leichter verfügbar sein.

Dokumentieren Sie Ihren Suchprozess, zum Beispiel in einer Liste. Wer viele Absagen erhält, kann über das sogenannte Kostenerstattungsverfahren eine Therapie auch in einer Privatpraxis von der Krankenkasse finanziert bekommen. Die Bedingungen hierfür unterscheiden sich je nach Versicherung.

Schritt 3

Die Sprechstunde

Jede Therapie beginnt mit einer Sprechstunde. In dieser Sitzung klären Sie mit einem Therapeuten, ob eine Indikation für eine Psychotherapie vorliegt. Innerhalb von fünfzig Minuten bekommen Sie eine erste Verdachtsdiagnose.

Sprechstunden haben drei mögliche Ausgänge. Der erste: Sie eignen sich nicht für eine ambulante Psychotherapie. Der Therapeut wird Sie auf andere Angebote verweisen, zum Beispiel auf eine klinische Therapie oder psychosoziale Hilfsangebote. Kommt eine Psychotherapie für Sie in Frage, dann kann, zweitens, die Therapeutin Ihnen einen Platz in Ihrer Praxis anbieten. Entweder bekommen Sie eine Akutbehandlung von 12 Sitzungen, für die kein Antrag bei der Krankenkasse nötig ist, oder eine Kurz- oder Langzeittherapie. Oder, drittens, Sie brauchen zwar eine Therapie, die Therapeutin bietet aber nicht die richtige Behandlungsform an oder hat keine Kapazitäten mehr. Gegebenenfalls können Sie einen Platz auf einer Warteliste bekommen. Ansonsten gehen Sie mit den neuen Informationen wieder zu Schritt 2.

Schritt 4

Die probatorischen Sitzungen

Nach den Sprechstunden gibt es zwei bis vier probatorische Sitzungen, die vor der eigentlichen Psychotherapie stattfinden. In diesen lernen Therapeutin und Patient sich kennen, erstellen eine ausführliche Diagnostik und besprechen die Therapieziele. Nutzen Sie diese, um zu schauen, ob die Chemie stimmt. Fühlen Sie sich wohl? Können Sie sich vorstellen, Ihrem Gegenüber Ihre Sorgen und Erfahrungen anzuvertrauen? Der Therapeut sollte Ihnen ausführlich erklären, wie er vorgehen möchte und offen auf Ihre Fragen reagieren. Wenn alles stimmt, kann die Therapie schon bald beginnen, Sie sind einen Schritt weiter. Wenn nicht, dann sollten Sie lieber zurück zu Schritt zwei gehen und weitere Termine vereinbaren. Die Beziehung von Patientin und Therapeut gilt als einer der wichtigsten Faktoren für den Therapieerfolg.

Schritt 5

Die Anträge

Einigen psychischen Beschwerden liegen körperliche Probleme zugrunde. Um das auszuschließen, wird Ihr Therapeut Sie bitten, einen sogenannten Konsiliarbericht bei Ihrem Hausarzt einzuholen. Mit diesem Bericht und der Diagnose wird Ihre Therapeutin einen Antrag bei Ihrer Krankenkasse stellen. Bevor es mit den tatsächlichen Sitzungen losgehen kann, muss diese die Therapie bewilligen. Wenn Sie sich entscheiden, Ihre Therapie selbst zu bezahlen, dann können Sie diesen Schritt überspringen.

Schritt 6

Die Psychotherapie

Psychotherapie ist nicht gleich Psychotherapie. Ein Unterschied ist die Dauer: Eine Akutbehandlung oder eine Kurzzeittherapie dauern bis zu 24 Sitzungen. Bei einer Langzeittherapie entscheidet sich die Dauer nach der Therapieform, sie liegt zwischen 48 und 300 Sitzungen in Einzeltherapie. Die Therapieformen sind auch in den Methoden sehr unterschiedlich. Welche Form und welche Dauer sich eignet, entscheiden Patientin, Therapeutin und Krankenkasse im Rahmen der gesetzlichen Regelungen.

Die häufigste Therapieform ist die Kognitive Verhaltenstherapie. Hier werden Sie daran arbeiten, negative Denk- und Verhaltensmuster zu verlernen. Bekannt aus Film und Fernsehen ist die Psychoanalyse, die auf Sigmund Freud zurückgeht. Nicht zwingend auf einer Couch werden hier verdrängte Konflikte aufgearbeitet. Ein anderes psychodynamisches Verfahren ist die tiefenpsychologisch fundierte Therapie. Bei dieser geht es stärker um Konflikte in der Gegenwart, während bei der Psychoanalyse besonders die Kindheit analysiert wird. Seit einigen Jahren wird auch systemische Therapie von den Krankenkassen bezahlt. Sie behandelt die Situation der Patientin nicht losgelöst, sondern als Teil eines Systems, zum Beispiel einer Familie. Private Krankenkassen zahlen oft auch andere, wissenschaftlich fundierte Therapiemethoden, darunter interpersonelle Therapie und Schematherapie.

Team
Text Berit Kruse, Marie-Louise Timcke
Digitales Design Sandra Hartung
Bildcredits iStock; Sandra Hartung