Nacht der Autorinnen und Autoren

„Berlin ist grau, München pastell“

SZ-Leserinnen und -Leser erzählen, warum sie München lieben - und weshalb die Stadt sie manchmal zur Verzweiflung bringt.

Protokolle von Katja Schnitzler und Lisa Sonnabend
13. Oktober 2023 - 7 Min. Lesezeit

Die SZ hat bei der Nacht der Autorinnen und Autoren die Leserinnen und Leser gefragt, wie es um München steht. Was mögen sie an der Stadt, was müsste sich hier dringend ändern? 

Münchner, die schon immer in der Stadt leben, und Münchnerinnen, die erst vor kurzem aus Berlin hergezogen sind, schildern ihre Eindrücke.

„Ich bin von München überrascht, wie gut es mir gefällt.“

Karen Pehla-Gamber, 63, arbeitet bei der Naturschutzstiftung von Nabu-International

„Ich bin von München überrascht, wie gut es mir gefällt.“

Karen Pehla-Gamber, 63, arbeitet bei der Naturschutzstiftung von Nabu-International

Ich bin vor fast drei Jahren aus Berlin hergezogen. Wenn ich die beiden Städte vergleiche, ist Berlin rau, München sanfter, Berlin ist grau, München pastell. In der Kultur vermisse ich die Schärfen, da ist es hier netter und gefälliger. Die Stadt lerne ich aber eigentlich erst seit diesem Jahr wirklich kennen, ich bin in der Coronazeit angekommen. 

Ich bin ganz überrascht, wie viele Naturschutzthemen in den Museen zu finden sind. Ich höre zwar immer, dass fürs grüne München zu wenig getan werde. Aber in der Kultur gibt es viele Umweltthemen. Und wenn ich eine Ausstellung organisiere, zu der ich 20 Leute erwarte, kommen 60. 

Tatsächlich bin ich von München überrascht, wie gut es mir gefällt. Es ist lustigerweise etwas charmanter, das tut mir gut. Auch wenn mir die Kultur zu gefällig ist, das Verbindliche und Herzliche der Münchner ist schön. Ich habe zwar Heimweh, aber ich bereue den Umzug nicht. 

Und ich habe das Gefühl, dass alle Generationen in der Öffentlichkeit unterwegs sind. In Berlin scheint sich die ältere Generation zu verstecken, hier sind alle da. Und es ist eine Stadt der Schreiber und Musiker, Laien und Profis. Man darf mehr Amateur sein, es ist viel durchlässiger. In Berlin gibt es die zwei Literaturhäuser und das war es.“

„Was in der Stadt fehlt: eine Ringbahn.“

Pia Mohr, 20, Studentin

„Was in der Stadt fehlt: eine Ringbahn.“

Pia Mohr, 20, Studentin

München bedeutet Heimat, ich bin hier groß geworden. Es ist wie ein großes Dorf, ich treffe oft neue Leute, die schon Freunde von mir kennen. 13 Jahre lang habe ich Hockey gespielt, auch das verbindet mit der Stadt. 

Ich komme aus dem Süden Münchens, da war ich mit meinen Freunden nie im Englischen Garten. Jetzt genieße ich das Studentenleben im Zentrum mit den Bars, aber auch die tollen Laufstrecken, ich renne besonders gerne an der Isar. 

Was in der Stadt fehlt: eine Ringbahn. Öffentlich brauche ich so dreimal länger, um auf die andere Isarseite zu kommen. Und ich muss mit der S-Bahn in die Stadt, zumindest bei mir hat sie immer Verspätung. Immerhin haben wir alle Arten von Verkehrsmitteln – nur sind die noch ausbaufähig.“

„Stolz bin ich auf München wegen der Willkommenskultur.“

Victoria Lehmann, 31, Juristin

„Stolz bin ich auf München wegen der Willkommenskultur.“

Victoria Lehmann, 31, Juristin

Ich liebe die Gemütlichkeit. München hat Großstadtflair, fühlt sich aber oft wie ein Dorf an. Es ist toll, dass hier Jung und Alt zusammenkommen, zusammen an einem Tisch im Biergarten sitzen, oder wie hier bei der Nacht der Autorinnen und Autoren gemeinsam eine Veranstaltung besuchen. 

Was sich aber dringend ändern müsste, ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt. Es kann nicht sein, dass sich zum Beispiel ein Lehrer keine Wohnung im Zentrum mehr leisten kann. Als ich zum Studium kam, musste ich eine Wohnung nehmen, die weit außerhalb lag und sehr klein war. Was anderes konnte ich nicht bezahlen, inzwischen hab ich eine nette Bleibe, aber die habe ich nur mit viel Glück gefunden.

Stolz bin ich auf München wegen der Willkommenskultur – ich hoffe so sehr, das bleibt so.“

„Das Haus der Kunst ist mein Lieblingsort in München.“

Christine Benesch, 31, Kulturmanagerin

„Das Haus der Kunst ist mein Lieblingsort in München.“

Christine Benesch, 31, Kulturmanagerin

Es ist so schade, dass die Kulturszene in München langsam stirbt. Clubs, kleine Konzerthallen oder Vereine müssten mehr gefördert werden, sonst werden sie nach und nach aus der Stadt verschwinden. Ich liebe München wegen des Kulturangebots, doch ich habe Angst, dass eines Tages nicht mehr viel geboten ist. Es wollen ja nicht alle zu Helene Fischer gehen, viele haben andere Interessen. 

Am Sonntag war ich im Haus der Kunst und habe mir die Erlebnisausstellung 'In anderen Räumen' angeschaut - das war beeindruckend. Das Haus der Kunst ist ohnehin mein Lieblingsort in München.“

„In München konnte ich überall schon allein mit dem Rad oder den Öffentlichen hin“

Jonathan Brandis, 22, Student

„In München konnte ich überall schon allein mit dem Rad oder den Öffentlichen hin“

Jonathan Brandis, 22, Student

Ich bin mit sieben Jahren mit meiner Familie von Düsseldorf hergezogen und in Harlaching groß geworden. Daher fühlt sich München für mich fast wie eine Wahlheimat an. Auch meine Eltern und Großeltern kommen aus verschiedenen Gegenden in Deutschland. Aber hier ist mein zuhause, hier habe ich meine wichtigsten Lebenserfahrungen gemacht. In München fühle ich mich einfach am wohlsten. 

Als ich 14 Jahre alt war, habe ich mit meiner Familie ein Jahr im Norden der USA verbracht. Da habe ich sehr meine eigenständige Mobilität vermisst. In München konnte ich überall schon allein mit dem Rad oder den Öffentlichen hin, in den USA war ich auf jemanden mit Führerschein angewiesen. 

Aber die deutsche Schule hat mir nicht gefehlt - an der amerikanischen Schule habe ich hingegen schöne Erfahrungen gemacht: Ich wurde als Ausländer mit großer Offenheit empfangen und hatte wirklich das Gefühl, willkommen zu sein. Schön war dort auch die Verbindung mit dem Sport, dort konnte ich an der Schule Tennis spielen. Natürlich hatte ich auch ein Riesenglück mit dieser Schule in den USA, da kann man es auch schlechter erwischen. Nur das Großstadtgefühl, das München liefert, das habe ich sehr vermisst.“

„Die Pinakothek der Moderne ist mein Lieblingsmuseum.“

Ute Köhler, 87, Rentnerin

„Die Pinakothek der Moderne ist mein Lieblingsmuseum.“

Ute Köhler, 87, Rentnerin

Mein Lieblingsort in München ist das Museumsviertel, dort habe ich früher auch gewohnt. Ich liebe es, in Ausstellungen zu gehen. Früher war ich oft im Lenbachhaus, auch meinen Sohn habe ich oft mitgenommen, als er klein war. Aber irgendwann hat man sich am Blauen Reiter satt gesehen. Inzwischen ist die Pinakothek der Moderne mein Lieblingsmuseum. Ich mag die Architektur, die vielfältigen Ausstellungen. Ob Architektur, Design oder Gemälde – es wird mir hier nie langweilig.

Das drängendste Problem der Stadt ist für mich die Wohnungsnot. Söder hätte die GBW-Wohnungen nie verkaufen dürfen und es hätte viel mehr gebaut werden müssen in den vergangenen Jahren. Und was ist nun? Kaum einer kann sich noch leisten, in München zu wohnen.“

„Mir ist Herr Benko mit seiner Signa Holding zu präsent in der Innenstadt.“

Christoph Hönigschmid, 76, Rentner

„Mir ist Herr Benko mit seiner Signa Holding zu präsent in der Innenstadt.“

Christoph Hönigschmid, 76, Rentner

Früher hat man gesagt, München ist ein Dorf – und das hat sich erhalten, auch wenn es sich langsam ändert. Münchens Flair und die Nähe zu Seen und Bergen, das ist für mich die Seele Münchens. Was mich enttäuscht, ist aber, dass viele kleine Geschäfte schließen und es dafür immer mehr Nobelgeschäfte gibt. 

Und mir ist Herr Benko mit seiner Signa Holding zu präsent in der Innenstadt. Aber wirklich ändern will ich an der Stadt nichts. Wie wunderschön ist etwa das Olympiagelände. Auch der Westpark ist traumhaft – diese Mischung aus Stadt und Grün, da ist der Freizeitwert einfach sehr hoch. Erst recht bei Föhn. Und man ist schnell an den Bergen – und sogar an der Adria.“

„Ich will mich einbringen für ein gutes Miteinander vor Ort.“

Cornelia Hönigschmid, 73, Rentnerin

„Ich will mich einbringen für ein gutes Miteinander vor Ort.“

Cornelia Hönigschmid, 73, Rentnerin

Ich bin Münchnerin, hier geboren, hier zu Schule gegangen und im Umfeld von Nymphenburg groß geworden. Das Schloss und sein Flair gehören zu München, aber auch der Stachus, Marienplatz, die Museen, mir fällt so viel ein. Dass sich in der Stadt viel verändert, das muss so sein. Wir wohnen inzwischen in Neuaubing, früher wirklich am Stadtrand mit Blick auf die Felder, jetzt schauen wir auf eine Baustelle. Da entsteht der neue Stadtteil Freiham. 

Natürlich ist es einerseits schade, dass die freien Flächen wegfallen. Aber wir brauchen Wohnraum, insofern gewinnen wir dem etwas Positives ab. Und das neue Viertel war schon in den 1960er-Jahren geplant, das war also nur ein Aufschub. Außerdem war ich schon immer am Leben im Stadtviertel interessiert, bin hier aktiv, auch als 2015 der Helferkreis für Flüchtlinge gegründet wurde. Ich will mich einbringen für ein gutes Miteinander vor Ort – und auch da gehört Wandel dazu. 

Ich will nicht dem Status Quo nachweinen und dadurch an Lebensqualität einbüßen. Wer loslässt, hat die Hände frei, lautet ein schöner Spruch. Und ich kann ja immer noch zur Aubinger Lohe oder Moosschwaige radeln. Oder zum neu renovierten Stiftungsgut Freiham.“

„Das darf doch in einer Großstadt nicht passieren, das finde ich langsam etwas peinlich.“

Anneliese Metzger, 78, Rentnerin

„Das darf doch in einer Großstadt nicht passieren, das finde ich langsam etwas peinlich.“

Anneliese Metzger, 78, Rentnerin

Mir ist es zuletzt häufig passiert, dass die Trambahn oder der Bus nicht kam – wegen Personalmangel. Das darf doch in einer Großstadt nicht passieren, das finde ich langsam etwas peinlich. Auch die ganze Misere mit der S-Bahn – ständig ist die Stammstrecke wegen Bauarbeiten komplett gesperrt. Aber grundsätzlich fahre ich gerne mit dem Nahverkehr. Ich wohne seit 20 Jahren in der Nähe des Rotkreuzplatzes und genieße es, dass ich überall bequem hinkomme, ob ins Theater, zu Ausstellungen oder ins Ballett. 

Auch in Neuhausen ist viel geboten, es gibt interessante Veranstaltungen in der Stadtbibliothek oder im Stadtteilzentrum "Trafo". Bei der Volkshochschule belege ich Kurse beim Studium generale, das ist sehr interessant – und toll, dass ich dafür nicht weit fahren muss. Ich mag es, dass München oft wie ein Dorf ist. Wenn ich in Neuhausen unterwegs bin, treffe ich immer Bekannte oder Nachbarn.“

Protokolle, Fotos und Digitales Storytelling: Katja Schnitzler, Lisa Sonnabend