Bayerns Menschen des Jahres 2023

Bruder Helmut und Schwester Mechthild

Sie haben etwas Besonderes geleistet oder erlebt - freiwillig oder notgedrungen. Frauen und Männer, die das Jahr 2023 nicht so schnell vergessen werden.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren
29. Dezember 2023 - 4 Min. Lesezeit

Mutter Mechthild: Die Standhafte

Gerechtigkeit für eine Gerechte: Mutter Mechthild muss nicht dafür ins Gefängnis, dass sie zwischen 2018 und 2020 drei geflüchtete Frauen in ihr Kloster aufgenommen und somit vor der Abschiebung bewahrt hat. Der Richter hatte der fränkischen Benediktineräbtissin Mechthild Thürmer zunächst Haft angedroht, wenn sie sich der Geldbuße widersetze. Sie beugte sich nicht. 

Und bekam dafür sehr viel Zuspruch. Bis nach Amerika drang die Kunde von der tapferen Ordensfrau. Dort bot man ihr sogleich Asyl an. Das braucht sie nun nicht mehr. Das Verfahren wurde im Februar eingestellt. Menschen in Not aber gewährt sie weiterhin Zuflucht.

Michael Adam: Der Rückkehrer

Während die Bayern-SPD in die Bedeutungslosigkeit steuert, fährt ein Genosse in die andere Richtung: Michael Adam. Nach langer Politik-Abstinenz wurde der 39-Jährige mit 66 Prozent in seiner Heimat Bodenmais erneut zum Bürgermeister gewählt. Vor allem als roter Landrat im konservativen Landkreis Regen brachte er es zu Prominenz – weil er ehrlich und nahbar war, ein Stil, der ihm zum Verhängnis wurde. Als herauskam, dass er Liebhaber-Besuch im Landratsamt hatte, drehte sich der Wind. Dieses Mal soll es anders laufen. „Ich will keine Skandale mehr produzieren.“

Helmut Aiwanger: Der Treue

Er ist der Bruder des Jahres. Helmut Aiwanger, Waffenhändler aus Rottenburg an der Laaber und neuerdings der 15. Nothelfer hinter dem Heiligen Vitus. Als sein Bruder Hubert in höchste Erklärungsnot geriet, da trat Helmut gar mannhaft vor ihn hin und brach nach 35 Jahren sein Schweigen. Nicht etwa Hubert, sondern er habe dereinst das rechtsextreme Flugblatt am Gymnasium Mallersdorf verfasst. Seine Erklärung: „Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen war.“ Aha. CSU und Freie Wähler beschlossen, den Gebrüdern Aiwanger ihre Geschichte zu glauben.

Sextus Pompeius: Der Vermisste

Nein, nach Aschaffenburg in good old germany ist Laura Young nicht aufgebrochen im Juli. Musste sie auch nicht, es war da nur recht und billig, dem Alter den alleinigen Auftritt zu lassen. Die Trödelfahnderin hatte ihre Geschichte der Welt ja eh schon erzählt: ein Trödel in Austin/Texas, ein Marmorkopf, eine Investition von nicht komplett überteuerten 34,99 Dollar. Dann kommt heraus, dass die Römer-Büste seit 1945 in König Ludwigs I. Pompejanum am Untermain als vermisst gilt. Um Sextus Pompeius soll es sich handeln. Der schaute leicht derangiert bei seiner Rückkehr – und schwieg.

Herzog Franz: Das Oberhaupt

Bei einem Dankgottesdienst mit Hunderten Gästen zum 90. Geburtstag von Franz Herzog von Bayern wurde im Juli deutlich, welche Sonderrolle das Oberhaupt der Wittelsbacher in Politik, Gesellschaft und Kultur einnimmt. Als Kunstsammler, Mäzen und sozialer Unterstützer genießt Herzog Franz einen weltweiten Ruf. Der von ihm und seinem Neffen Ludwig getragene Hilfsverein Nymphenburg wirkt segensreich in vielen Krisengebieten. Herzog Franz ist der bekannteste Unbekannte, der in Bayern etwas zu sagen hat und viel Positives bewirkt.

Regina Rick: Die Bissige

Regina Rick besitzt einen Rottweiler, und das verrät viel über ihre Arbeit als Anwältin. Ein Prozessgegner hatte sie so bezeichnet. Eine Beleidigung. Rick ging der Sache nach wie ihrer Arbeit: Sie hinterfragte den Begriff akribisch. Und fand heraus, dass er gut passt zu ihr. Eigentlich freundlich, aber stur, unerschrocken und – wenn nötig – bissig. So setzte sich Rick auch ein für den unschuldig des Mordes verurteilten Manfred Genditzki, der dank ihrer Hartnäckigkeit nach mehr als 13 Jahren Haft freigesprochen wurde. Und so verteidigt sie auch den Angeklagten im Mordprozess „Hanna W.“, in dem sie bereits Widersprüche herausgearbeitet hat.

Monika Gruber: Die Brachiale

Mit ihrer brachial-bayerischen Komik zählt Monika Gruber zur ersten Reihe der Kabarettzunft. Zeitgeist-Schelte und Zetern über „political correctness“ gehörten immer schon dazu. 2023 wurde Gruber, 52, indes selbst politische Akteurin und zog Kritik auf sich: Sie trommelte in Erding zur Demo gegen die „Heizungsideologie“ der Ampel. Rechtsradikale und anderes Gschwerl mischten sich da unter besorgte Bürger. Ministerpräsident Markus Söder wurde für seinen Kurs gegen die AfD ausgebuht, der selbst ernannte Volkstribun Hubert Aiwanger wollte sich „die Demokratie zurückholen“.

Texte: Sebastian Beck, Hans Kratzer, Deniz Aykanat, Nina von Hardenberg, Olaf Przybilla, Digitales Storytelling: Sebastian Beck, Redaktion Storytelling: Katja Schnitzler