Prozess in Bamberg:Kirchenasyl-Verfahren gegen Mutter Mechthild eingestellt

Lesezeit: 3 min

Mutter Mechthild Thürmer und ihr Anwalt Franz Bethäuser vor Beginn der Verhandlung im Bamberger Amtsgericht. Beide hofften sie auf einen Freispruch. Den gab es allerdings nicht. (Foto: Daniel Vogl/dpa)

Die Äbtissin Mechthild Thürmer war der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt angeklagt, sogar von einer Freiheitsstrafe war schon die Rede. Nun ist es anders gekommen.

Von Katja Auer, Bamberg

Das Kirchenasyl-Verfahren gegen die Äbtissin der Abtei Maria Frieden in Kirchschletten ist am Dienstag vom Amtsgericht Bamberg eingestellt worden. Mutter Mechthild Thürmer war der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in drei Fällen angeklagt. Sie hatte drei Frauen in ihrer Abtei aufgenommen, denen nach der Dublin-Regelung die Abschiebung nach Italien beziehungsweise Rumänien drohte, also in jene Länder, in denen sie erstmals registriert wurden.

"Zum Erbarmen" seien die Frauen gewesen, sagte Mutter Mechthild vor Gericht, sie hätten von Flucht, Vergewaltigung und Messerstichen erzählt, da habe sie geholfen. Mehr als 30 Mal hatte sie bereits Menschen ins Kirchenasyl genommen. Jedes Mal habe sie die Fälle bei der Polizei und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gemeldet, wie es der Übereinkunft zwischen Staat und Kirchen entspricht. 2021 wurde die Äbtissin für ihr Engagement mit dem Löwenherz-Friedenspreis ausgezeichnet.

Der Fall hatte sich über mehr als zwei Jahre hingezogen und im Vorfeld große Aufmerksamkeit erregt. Schon deshalb, weil das Amtsgericht der Ordensschwester eine "empfindliche Freiheitsstrafe" in Aussicht gestellt hatte, sollte sie einen Strafbefehl nicht akzeptieren. Einen solchen über 2500 Euro wollte sie nicht bezahlen, das sei ihr nicht richtig vorgekommen, sagte sie damals. Geld bezahlen, nur um ihre Ruhe zu haben. "Ich habe aus meinem christlichen Gewissen heraus gehandelt", sagte sie. Die möglicherweise drohende Freiheitsstrafe schreckte sie nicht. Notfalls gehe sie eben in den Knast.

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Soweit ist es nun nicht gekommen, Richter Thomas Fahr wich von seiner Ankündigung ab und stellte das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein. Hätte Mutter Mechthild dem nicht zugestimmt, wäre eine weitere Beweisaufnahme nötig gewesen, Zeugen hätten gehört werden müssen, vor allem im Fall einer Nigerianerin. Diese nämlich hatte bereits einen negativen Bamf-Bescheid, als sie in die Abtei Maria Frieden kam, damit wären die Voraussetzungen für ein Kirchenasyl nicht gegeben gewesen. Davon habe sie jedoch nichts gewusst, sagte die Äbtissin. Das hätte der Prozess aufklären müssen.

Auch wenn ihr ein Freispruch lieber gewesen wäre, zeigte sich Mutter Mechthild mit der Einstellung zufrieden. "Ein Freispruch ist ein Freispruch und eine Einstellung ist eine Einstellung", sagte ihr Anwalt Franz Bethäuser nach der Verhandlung - das heißt, dass nun offiziell eben doch von einer geringen Schuld ausgegangen wird, so steht es im Paragraf 153 Strafprozessordnung, nach dem nun eingestellt wurde. Dennoch sei das in Ordnung, wer wisse schon, was ein weiterer Prozess ergeben hätte.

Zuvor hatte Bethäuser auf einen Freispruch gesetzt und beinahe damit gerechnet, auch deswegen, weil das Bayerische Oberste Landesgericht (BayOLG) inzwischen ein Urteil gesprochen hatte, das vielen als wegweisend gilt.

Es war der Freispruch von Bruder Abraham Sauer aus der Benediktiner-Abtei Münsterschwarzach, der einem Mann aus Gaza Kirchenasyl gewährt hatte, um ihn vor der Abschiebung nach Rumänien zu bewahren. Der 1. Strafsenat des BayOLG stellte fest, dass Geistliche, die ein Kirchenasyl auch nach einem negativen Bescheid des Bamf aufrecht erhalten, straffrei bleiben können.

Zuvor war der Ordensbruder bereits vom Amtsgericht Kitzingen freigesprochen worden, es war der erste Freispruch in einem solchen Fall und auch deswegen aufsehenerregend. Die Staatsanwaltschaft Würzburg hatte Revision eingelegt, weswegen das BayOLG letztinstanzlich entscheiden musste. Der Senat folgte zwar nicht der Begründung des Amtsgerichts, das den Freispruch mit der in Artikel 4 des Grundgesetzes zugesicherten Glaubens- und Gewissensfreiheit begründete, das in diesem Fall schwerer wiege als das Strafmonopol des Staates. Dennoch wurde der Freispruch bestätigt. Der Ordensbruder hätte das Kirchenasyl nach dem negativen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht aktiv beenden müssen, urteilte der Senat. Alleine Beherbergung und Verpflegung stellten keine Beihilfe dar.

Infolgedessen wurde auch das Berufungsverfahren gegen Schwester Juliana Seelmann aus dem Franziskanerinnenkloster Oberzell bei Würzburg mit einem Freispruch beendet, die eine Nigerianerin beherbergt hatte.

"An dem Urteil kommt man nicht mehr vorbei", sagte damals Rechtsanwalt Bethäuser, der die Ordensleute vor Gericht vertrat. In zwei Fällen sahen es auch der Staatsanwalt und der Richter bei Mutter Mechthild so, ließen sie durchblicken. Der dritte allerdings war der Grund, weshalb es nun keinen Freispruch gab. Auch wenn eine Verfahrenseinstellung ohne Auflagen keine Folgen für die Äbtissin hat, auch die Prozesskosten übernimmt die Staatskasse.

Ob sie noch einmal Menschen ins Kirchenasyl aufnehmen würde? "Im Prinzip schon", sagte sie nach der Verhandlung.

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