Süddeutsche Zeitung

Wolfgang Schäuble:Vorschnell geurteilt

Der Bundestagspräsident sagt, er könne bisher kein Fehlverhalten des Abgeordneten Amthor erkennen. Diese Meinung hätte er besser für sich behalten.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Wolfgang Schäuble ist eigentlich kein Mensch, der leichtfertig etwas sagt. Doch im Fall Amthor hat sich der Bundestagspräsident vorschnell geäußert - und damit seinem Amt geschadet. Er könne bisher "überhaupt nicht erkennen", dass Philipp Amthor sich "an irgendeine der geltenden Regelungen nicht gehalten hat", urteilte Schäuble.

Das ist nicht nur angesichts der Faktenlage erstaunlich. Denn Amthor hat immer noch nicht offengelegt, wer seine Reisen nach New York und St. Moritz zu Gesprächen mit Vertretern von Augustus Intelligence bezahlt hat. Und genauso unklar ist, wofür die Wirtschaftskanzlei White & Case dem CDU-Abgeordneten jeden Monat einen vierstelligen Betrag hat zukommen lassen.

Schäubles Äußerung ist aber auch deshalb ärgerlich, weil er qua Amt der erste Richter in der Angelegenheit ist. Die Verhaltensregeln des Bundestags sehen vor, dass der Parlamentspräsident entscheidet, ob ein Fall minder schwer ist und eine Ermahnung ausreicht - oder ob er weiterverfolgt werden muss. Als Richter sollte man sich aber mit vorschnellen Urteilen zurückhalten. Das gilt erst recht, wenn man ohnehin damit zu kämpfen hat, von jedermann als unbefangen wahrgenommen zu werden. Es war ja eine Spendenaffäre, deretwegen Schäuble als CDU-Chef zurücktreten musste.

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Quelle:
SZ vom 23.06.2020
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