Süddeutsche Zeitung

USA vs. WHO:Trumps Suche nach dem Sündenbock

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Die Attacken des US-Präsidenten gegen die WHO sind ein durchsichtiges Manöver - und doch gibt es Fragen zur Arbeit der Weltgesundheitsorganisation.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Es ist ein vernichtendes Urteil, das US-Präsident Donald Trump über die Weltgesundheitsorganisation (WHO) abgegeben hat. "So viele Tote sind durch ihre Fehler verursacht worden", sagte er über die Organisation, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Dach der Vereinten Nationen gegründet wurde mit dem Auftrag, "die Gesundheit aller Völker zu fördern und zu schützen". Sie habe in ihren grundlegenden Pflichten versagt, habe sich unkritisch auf die Angaben der Regierung in China verlassen und sie weiterverbreitet. Es ist ein weiteres, leicht zu durchschauendes Manöver Trumps, um von seinem eigenen Versagen abzulenken. Er wurde früh gewarnt, faselte lange von der Grippe und davon, das Virus werde von allein verschwinden. Überdies hat Trump die Zahlungen an die WHO gestoppt. Das passt in das ideologische Muster seiner Regierung, internationale Organisationen zu diskreditieren, vor allem die UN. Er verlangt, dass sein Name auf die Hilfsschecks aufgedruckt wird, mit denen die Regierung den Amerikanern helfen will. Es naht die Präsidentenwahl - und seine Chancen sind das Einzige, was Trump wirklich interessiert, auch im Umgang mit Covid-19.

Ungeachtet von Trumps innenpolitischen Motiven gibt es aber ernstzunehmende Fragen zur Arbeit der WHO in der Krise. Sie hat Warnungen aus Taiwan ignoriert, und WHO-Chef Tedros Ghebreyesus wird sich die Frage gefallen lassen müssen, wie stark er dem massiven Druck aus Peking nachgegeben hat, warum seine Organisation teils wortgleich die Verlautbarungen der Kommunistischen Partei weiterverbreitet hat, auch als Experten in anderen Ländern schon vor einer Pandemie warnten.

Mit seiner Suche nach Sündenböcken jedoch erschwert Trump nur die Aufklärung. Der richtige und notwendige Weg, die Leistung der WHO zu bewerten und ein mögliches Versagen aufzuarbeiten, ist eine unabhängige und neutrale Untersuchung, geleitet von anerkannten Experten. Sie muss interne Entscheidungsabläufe ebenso in den Blick nehmen wie mögliche wissenschaftliche Fehleinschätzungen, politische Pressionen und die Strukturen der WHO, die noch 2003 in der Sars-Epidemie für effektives Krisenmanagement gelobt wurde. Das ist schon deswegen zwingend, weil die nächste Pandemie nur eine Frage der Zeit ist.

Trumps Entscheidung, der WHO zunächst die Beiträge der USA vorzuenthalten, könnte katastrophale Folgen haben. In Entwicklungsländern und Krisengebieten ist sie oft die wichtigste oder gar einzige Organisation, die helfen kann. Dort sind die Leben von Millionen Menschen in Gefahr, die von den nationalen Gesundheitssystemen und Regierungen kaum etwas zu erwarten haben.

Die Corona-Krise macht einmal mehr deutlich, dass es in der globalisierten Welt eigentlich mehr Zusammenarbeit bräuchte. Das Virus kennt keine Grenzen, auch wenn sich Trump das wünscht. Internationale Kooperation setzt allerdings auch voraus, dass Staaten sich transparent verhalten und im Sinne der Weltgemeinschaft handeln. So sehr Trumps Attacken auf die WHO innenpolitisch motiviert sind, ist es auch der Umgang Chinas mit der Pandemie, sei es auf Ebene der Provinzen oder der Zentralregierung in Peking. Der Westen wird sich daher überlegen müssen, welche Konsequenzen er daraus für die Beziehungen zu China ableiten soll und muss.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2020
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