Süddeutsche Zeitung

Weltpolitik:Konfusion durch Dialog auf der Münchner Sicherheitskonferenz

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Verwirrung liegt im geopolitischen Trend, Klarheit ist dieser Tage schwer zu bekommen. Das Hauptproblem: Russland erzwingt Aufmerksamkeit, die etwa die USA nicht zu geben bereit sind.

Kommentar von Stefan Kornelius

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird alljährlich ein Preis im Gedenken an den Gründer der Veranstaltung, Ewald von Kleist, verliehen. Auf der Medaille ist das hehre Leitmotiv eingraviert, "Frieden durch Dialog". Nach anderthalb Tagen Konferenzgedröhne müsste die Medaille umgeprägt werden: 2016 heißt das Motto Konfusion durch Dialog.

Verwirrung liegt durchaus im geopolitischen Welttrend. Klarheit, die Übereinstimmung von Wort und Tat, sind schwer zu bekommen dieser Tage, wo man in Syrien seine Milizen kämpfen lässt, über seine jeweiligen Fremdsprachenkanäle ungeniert Propagandalügen verbreitet und auch ansonsten alles tut, um den Knoten noch ein wenig stärker zusammen zu ziehen.

Es braucht also schon eine gehörige Portion Nerven, um diese Kakophonie von Deutungen und Hysterien zu ertragen. Und es braucht Zeit, ehe man zur Wahrheit vordringt. Zur Beruhigung also: Nein, der dritte Weltkrieg steht nicht bevor, und auch der Kalte Krieg ist nicht wirklich ausgebrochen. Es ist nur schwierig geworden, im Geflecht von Interessen und Meinungen unzähliger Akteure die richtigen Fäden zu finden, die sich dauerhaft entwirren lassen.

Ob Syrien, ob Ukraine, ob Flüchtlingspolitik oder das Binnenverhältnis der Bündnispartner im Westen: Als beherrschendes Problem schält sich mehr und mehr heraus, dass Russland Geopolitik mit wenig konventionellen Methoden betreibt, und dass der Westen keinen Umgang mit diesem Russland findet. Russland erzwingt eine Aufmerksamkeit, die etwa die USA dem Land nicht zu geben bereit sind. Dafür hat Washington einen simplen Grund: Misstrauen.

Erst der Tabubruch, dann die Heilung der Probleme durch Zugeständnisse - dieses Muster ist inzwischen bekannt. Die USA sind nicht wirklich bereit, ihre Deckung aufzugeben und Moskau einen Platz am Tisch einzuräumen, wenn es keine Garantien für die Unantastbarkeit des Porzellans gibt.

Umgekehrt hat sich Russland hinter einem Weltbild verschanzt, das bei aller Gutwilligkeit nur noch schwer zu verstehen ist. Russlands Stärke erwächst aus dieser Unzugänglichkeit.

Diese Blockade verfestigt sich, wenn die Akteure auf die Bühne gehen. Und deswegen hätte die Kleist-Medaille in diesem Jahr ein altbekanntes lateinisches Motto vertragen: si tacuisses - wenn Du geschwiegen hättest.

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