Süddeutsche Zeitung

Wahl in Frankreich:Der härtere Wahlkampf steht Macron noch bevor

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Von Lilith Volkert, Paris

Der neue Präsident kommt zu Fuß. Alleine. Am Sonntag um kurz nach halb elf Uhr abends, zweieinhalb Stunden nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse, geht Emmanuel Macron langsam durch das Tor des Louvre. Der 39-jährige parteilose Kandidat hat diese Wahl mit mehr als 66 Prozent der Stimmen gewonnen. Man kann seinem Gesicht ansehen, dass er das noch nicht fassen kann. Zu Beethovens "Ode an die Freude" durchquert Macron den abgesperrten Teil des weitläufigen Hofes, steigt auf die Bühne vor der weltberühmten Glaspyramide und blickt fast staunend in ein Meer aus blau-weiß-roten Fahnen. Tausende seiner Anhänger jubeln ihm zu.

Die meisten Franzosen haben Macron allerdings nicht aus Begeisterung gewählt, sondern aus reiner Vernunft. Viele stimmten nur für ihn, um Marine Le Pen zu verhindern. Die rechtsextreme Kandidatin bekam mehr als ein Drittel der Stimmen. Dass sich jeder vierte Franzose enthalten hat und zwölf Prozent der abgegebenen Stimmen ungültig waren, schwächt Macrons Ergebnis zusätzlich. Nur etwa 20 der 47 Millionen Stimmberechtigten waren für ihn.

Andererseits hat dieses Ergebnis auch etwas Gutes: Anders als sein Vorgänger François Hollande muss Macron sich nicht mit übertriebenen Erwartungen seiner Landsleute herumschlagen. In seiner Rede vor dem Louvre verneigt sich Macron mehrfach vor den Franzosen. Vor denen, die ihn gewählt haben, aber auch den anderen, die ihm nicht ihre Stimme gaben. Er sagt wenig "ich" und viel "wir". Sehr oft erwähnt er die "gewaltige Aufgabe", die vor ihm und dem ganzen Land liege.

Der neue Präsident hat kein Problem mit zu geringem Selbstvertrauen

Das Publikum nimmt die Worte des zukünftigen Präsidenten wohlwollend, aber nicht enthusiastisch auf. Wer französischer Präsident wird, muss sich mit Charles de Gaulle und Napoleon vergleichen lassen. Es sieht nicht so aus, als habe Macron ein Problem mit zu geringem Selbstvertrauen. Das zeigt schon der Ort, an dem der 39-Jährige vor seine Anhänger tritt. Die Sozialisten feiern ihre Wahlsiege traditionell an der Bastille, wo die französische Revolution ihren Anfang nahm, die Konservativen am Place de la Concorde. Macron hat keine Partei, deren Tradition er folgen muss. Er lässt sich dort bejubeln, wo früher Frankreichs Könige residierten.

Hier habe sich französische Geschichte abgespielt, sagt Macron in seiner Rede am Louvre. Der Platz sei ein "Ort aller Franzosen". Macron wird nicht viel Zeit haben, um sich in seine neue Rolle einzufinden. Ihn erwarten zahlreiche Probleme und ein strikter Zeitplan. Spätestens am 14. Mai wird er das Amt von François Hollande übernehmen. Vier Wochen später finden die Parlamentswahlen statt. Bis dahin muss Macron nicht nur eine Regierung ernennen und auf Kurs bringen, sondern auch seine im April 2016 gegründete Bewegung in eine schlagkräftige Partei verwandeln. Dieser noch anstehende Wahlkampf wird vermutlich härter als der, den Macron gerade erfolgreich hinter sich gebracht hat.

En Marche will in allen 577 Wahlkreisen Kandidaten aufstellen. Alle Mitglieder der Bewegung - inzwischen sind es etwa 250 000 - können sich online bewerben. Die Liste soll paritätisch besetzt werden und die Diversität der französischen Gesellschaft abbilden. Die Mitgliedschaft in einer anderen Partei ist dabei kein Ausschlusskriterium. Für Macron wird es sehr schwer werden, mit En Marche eine eigene Parlamentsmehrheit zu gewinnen. Er wird die gemäßigten Sozialisten und Konservativen als Koalitionspartner brauchen. Was in Deutschland politischer Alltag ist, ist im französischen Zweiparteiensystem eigentlich nicht vorgesehen. Le Pens Ergebnis lässt zudem vermuten, dass der Front National auch bei den Parlamentswahlen sehr gut abschneiden wird.

Zudem muss Macron möglichst schnell klarmachen, für welche Politik er genau steht. Im Wahlkampf hat er sich als charismatischer Modernisierer präsentiert. Er wolle der Europäischen Union - gemeinsam mit Deutschland - neuen Schwung geben, sagte er, das Arbeitsrecht reformieren, gegen Vetternwirtschaft in der Politik vorgehen. Sein Programm ist aber in vielen Punkten noch äußerst vage. Außerdem steht er vor der schwierigen Aufgabe, ein gespaltenes Land zu versöhnen.

Den meist gut ausgebildeten und halbwegs zufriedenen Menschen in den Großstädten stehen viele schlecht bezahlte oder arbeitslose Globalisierungsverlierer auf dem Land gegenüber. Schon Jacques Chirac wollte diese Kluft schließen. Weder er noch seine Nachfolger Nicolas Sarkozy und François Hollande haben es geschafft. Der Graben wurde immer größer.

"Ich will das Leben jedes Einzelnen verbessern"

Nicht zuletzt muss Macron mit der Missgunst fertig werden, die ihm vor allem in den letzten beiden Wochen entgegengeschlagen ist. Er hatte seinen Einzug in die Stichwahl in einer Pariser Brasserie gefeiert. Dieser Anfängerfehler wurde ihm tagelang vorgehalten. Vielen Franzosen gilt der ehemalige Wirtschaftsminister als elitärer Schnösel und Freund der Unternehmer. Dieses Image will er so schnell wie möglich loswerden.

"Ich werde Sie alle beschützen", sagt Macron vor dem Louvre. Und: "Ich will das Leben jedes Einzelnen verbessern." Macrons gewichtigstes Versprechen ist aber, dass er alles tun werde, "damit die Wähler des FN keinen Grund mehr haben, extrem zu wählen". Schafft er das nicht, dann geht er nicht nur als der jüngste französische Präsident aller Zeiten in die Geschichte ein. Sondern auch als der letzte vor einer Präsidentin Le Pen.

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