Süddeutsche Zeitung

Von der Leyen und ihr Handy:Zur Sicherheit gelöscht

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Von Nico Fried und Boris Herrmann, Berlin

Die Bundesregierung gibt auf ihrer Webseite auch praktische Tipps für den Alltag. "Was tun mit alten Handys?", wird da etwa gefragt. Die Antwort: "Ob Spende, Verkauf oder Rückgabe des Handys: Wichtig ist, die Daten zu löschen." Wohlwollend betrachtet hat sich Ursula von der Leyen also nur an das gehalten, was die Regierung bei der Entsorgung von Elektroschrott empfiehlt: Als sie von Berlin nach Brüssel umzog, um Chefin der EU-Kommission zu werden, gab sie ihr Diensthandy als Bundesverteidigungsministerin ab. Dann wurde das Gerät datenfrei an den Hersteller zurückgeschickt. Man kann es aber auch ganz anders betrachten.

Es geht hier ja nicht um irgendein Mobiltelefon, sondern um ein potenzielles Beweismittel im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre in der Bundeswehr. Die ehemalige Benutzerin des Handys steht im Zentrum der Untersuchung, unter ihrem Kommando hatte das Verteidigungsministerium dubiose Aufträge an externe Berater vergeben, die Vorwürfe reichen bis hin zur Vetternwirtschaft. Einige Mitglieder des Ausschusses dringen deshalb nach eigenen Angaben seit Wochen darauf, eventuell relevante Handydaten einsehen zu können. Dazu könnten etwa SMS gehören, die von der Leyen zu diesem Thema verschickt hatte.

Wird die Berateraffäre zur Löschaffäre?

Ein Beamter aus dem Ministerium soll im Ausschuss laut Teilnehmern bestätigt haben, dass der SMS-Verkehr auf dem ausrangierten Diensthandy als Beweismittel infrage komme. Man sei allerdings noch auf der Suche nach dem Gerät. Später habe es dann geheißen, man müsse jetzt nur noch die Pin finden. Am Donnerstag erfuhren die Ausschussmitglieder schließlich, sämtliche Daten auf dem Handy seien bereits im August "sicherheitsgelöscht" worden - und damit wohl für immer weg. Die Berateraffäre ist damit drauf und dran, sich zu einer Löschaffäre auszuweiten. Der Abgeordnete Matthias Höhn, der für die Linken im Untersuchungsausschuss sitzt, findet die Löschung "skandalös". Er sagt: "Hier wurden bewusst Beweise vernichtet."

Der Vorgang erinnert an den Streit um die Beseitigung von Unterlagen aus dem Bundeskanzleramt nach dem Ende der Regierungszeit von Helmut Kohl 1998. Damals stand der Vorwurf im Raum, Beamte hätten vor der Übernahme des Hauses durch den neuen Regierungschef Gerhard Schröder unter anderem Akten und Daten im Zusammenhang mit der Privatisierung der Leuna-Werke nach der Wiedervereinigung und zu mehreren Rüstungsgeschäften systematisch vernichtet. Der Vorgang wurde alsbald unter dem Begriff "Bundeslöschtage" bekannt. Juristische Ermittlungen wurden später eingestellt.

Im aktuellen Fall verkompliziert sich die Sache, weil von der Leyen in ihrer Zeit im Verteidigungsministerium zwei Diensthandys besaß. Sie hatte ein neues Gerät erhalten, nachdem Anfang 2019 ein Hacker-Angriff eines Schülers aus Hessen auf zahlreiche Telefone von Politikern bekannt geworden war. Dabei waren Daten von mehreren Hundert Politikern ausgespäht und im Internet verbreitet worden. Dazu gehörte auch die Handynummer von der Leyens. Vor ihrem Wechsel nach Brüssel, so soll es im Ausschuss dargestellt worden sein, gab sie beide Geräte ab.

Gelöscht wurden nun die Daten ihres ersten Handys, das zweite liegt nach Angaben eines Sprechers im Verteidigungsministerium "unter Verschluss". Ob es dort mit oder ohne Daten liegt, sagte er nicht. Unklar ist auch, ob sich auf dem ersten Gerät Daten befanden, die zur Aufklärung der Berateraffäre hätten beitragen können. Auszuschließen ist das nicht. Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner soll im Ausschuss Screenshots eines SMS-Verkehrs zwischen ihm und der früheren Ministerin vorgelegt haben. Nach Teilnehmerangaben "berührten sie den Untersuchungsgegenstand". Die Nachrichten sollen im November 2018 ausgetauscht worden sein - mit dem ersten Handy.

Zu von der Leyens Verteidigung ist zu sagen, dass sie im Juli als Ministerin abgetreten ist, die Daten aber offenbar erst im August gelöscht wurden, also unter der Ägide ihrer Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Tobias Lindner sagte der SZ: "AKK hat mit der Berateraffäre inhaltlich nichts zu tun. Aber sie trägt die Verantwortung dafür, dass ihr Ministerium sich offensiv an der Aufklärung beteiligt. Bislang habe ich da einen anderen Eindruck."

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Quelle:
SZ vom 21.12.2019
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