Süddeutsche Zeitung

Volker Kauder:Einer, der Abweichlerei kaum erträgt

Lesezeit: 2 min

Unions-Fraktionschef Kauder ist ein treuer Gefolgsmann der Kanzlerin. Bei der Abstimmung über das dritte Griechenland-Paket hat er wenig zu gewinnen.

Von Nico Fried

Drei Dinge fallen einem sofort zu Volker Kauder ein: Der Fraktionschef der Union hält seine Reden immer frei, was ihn als erfahrenen Parlamentarier ausweist - seit fast 25 Jahren sitzt er im Bundestag. Die Art, wie Kauder, 65, sein Sakko gerne mit beiden Händen strafft, hat wiederum etwas Militärisch-Diszipliniertes, was zu seiner ausgeprägten Loyalität gegenüber der Kanzlerin passt. Und dann ist da noch Kauders Leitsatz, den er bei dem Sozialdemokraten Kurt Schumacher entlehnt hat und als Beschreibung seiner Arbeitsweise versteht: "Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit."

An diesem Mittwoch wird sich die Wirklichkeit darin manifestieren, wie viele Abgeordnete von CDU und CSU dem dritten Rettungspaket für Griechenland nicht zustimmen. Diese Wirklichkeit steht freilich nicht am Beginn von Politik, sondern am Ende einer Sommerpause, die sich Kauder selbst versaut hat. Seine Äußerungen über die fehlende Geschlossenheit der Fraktion und mögliche Konsequenzen wurde von vielen Abgeordneten als Einschüchterungsversuch kritisiert.

Angela Merkel musste jüngst zwei Paragrafen aus der Geschäftsordnung des Bundestages zitieren, um Kauder wenigstens formal beizuspringen - die Ungeschicklichkeit konnte sie nicht verwischen.

Zu gewinnen hat Kauder deshalb wenig: Sollten es noch mehr sogenannte Abweichler sein als die 60 vor knapp fünf Wochen, gerät seine Autorität als Fraktionschef weiter unter Druck. Sollten es weniger sein, wird man das Verdienst nicht ihm, sondern Merkel und mehr noch Finanzminister Wolfgang Schäuble zuschreiben, der Griechenlands Verbleib im Euro mittlerweile wieder mit größerem Enthusiasmus betreibt als noch vor einem Monat. Zugutehalten kann sich Kauder nur, dass er solche Probleme früh hat kommen sehen.

Ein treuer Gefolgsmann Merkels

Denn schon kurz nach jenem Wahlabend im September 2013, als er auf der Bühne des Konrad-Adenauer-Hauses, euphorisiert vom CDU-Ergebnis, den Tote-Hosen-Hit "An Tagen wie diesen" schmetterte, unkte Kauder angesichts der sich anbahnenden großen Koalition über den Zusammenhang zwischen großen Mehrheiten und sinkender Abstimmungsdisziplin. Kauder, seit Herbst 2002 als parlamentarischer Geschäftsführer, CDU-Generalsekretär und schließlich Fraktionschef ein treuer Gefolgsmann Merkels, hatte das schon in ihrer ersten großen Koalition erlebt.

Für ihn ist solche Abweichlerei besonders schwer zu ertragen, weil er sie sich selbst stets untersagt. Kauder, der stolze Konservative, war kein Vorkämpfer einer moderneren Familienpolitik der CDU, und die Wehrpflicht hätte er so gerne behalten wie die Atomkraft. Auch ist schwer vorstellbar, dass er von der Griechenland-Rettung in allen Facetten überzeugt ist. Doch für einen wie ihn, der den Anspruch der Union als Regierungspartei geradezu phänotypisch verkörpert, gehört zum Betrachten der Wirklichkeit eben auch, gelegentlich ein Auge zuzudrücken.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2611686
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.08.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.