Süddeutsche Zeitung

Verstoß gegen UN-Sanktionen:Türkei stoppt Waffenlieferung aus Iran

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Die Türkei hat nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" erneut eine iranische Waffenlieferung abgefangen. Vermutlich war die Ladung für die radikalislamische Hisbollah bestimmt. Teheran verstößt damit systematisch gegen die von der UN verhängten Sanktionen - sucht aber offenbar schon nach neuen Schmuggelrouten.

Paul-Anton Krüger

Die Türkei hat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus westlichen Diplomatenkreisen erneut eine Waffenlieferung aus Iran gestoppt. Sie sollte nach Syrien gehen und war vermutlich für die mit Teheran verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon bestimmt; die radikale Schiiten-Organisation unterhält auch Depots in Syrien. Laut den Informationen haben die türkischen Behörden bereits am 30. April mindestens einen Lastwagen am Grenzübergang Kilis gestoppt, der eine größere Menge Waffen oder Munitionsbestandteile geladen hatte. Die Lieferung sei weiter unter türkischer Kontrolle. Die lokalen Behörden und Regierungsstellen in Ankara wollten dazu am Telefon keine Auskünfte geben.

Der UN-Sicherheitsrat hat wegen des umstrittenen Atomprogramms Sanktionen gegen Iran erlassen, darunter ein Verbot von Waffenexporten. Alle UN-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Verstöße dagegen dem Sicherheitsrat zu melden. Teaser

Bereits Mitte März hatte die Türkei auf Grundlage der UN-Resolutionen in Diyarbakir eine Frachtmaschine der Yas Air durchsucht, die auf dem Weg von Iran nach Syrien war. An Bord fanden sich Kalaschnikows samt Munition sowie Maschinengewehre und Mörsergranaten, getarnt als Autoersatzteile. Das geht aus dem Bericht einer Expertengruppe hervor, die von den UN zur Überwachung der Sanktionen eingesetzt worden war.

Im Juni ging er dem zuständigen Ausschuss beim Sicherheitsrat zu. In dem Dokument ist die neue Beschlagnahme in der Türkei noch nicht enthalten, jedoch verlautete aus dem Umfeld der UN in New York, dass es in der Türkei einen weiteren Vorfall gegeben habe. Eine Untersuchung durch die UN-Experten steht noch aus. Es war zudem unklar, ob die Türkei den neuen Fall bereits offiziell an den Sicherheitsrat gemeldet hat.

Türkische Medien, darunter die halbamtliche Nachrichtenagentur Anadolu, hatten Mitte April über angebliche Waffenlieferungen aus Iran nach Syrien berichtet, die unter anderem über den Übergang Bab al-Hawa nahe der südtürkischen Stadt Reyhanli abgewickelt worden seien. Aus westlichen Diplomatenkreisen hieß es zudem, etliche Lastwagen mit verdächtigen Lieferungen und gleichen Frachtpapieren wie der in Kilis gestoppte Transport hätten noch im April die Grenze zwischen der Türkei und Syrien unbehelligt passieren können. Diese Aussage legt die Vermutung nahe, dass die türkischen Behörden von ausländischen Geheimdiensten auf verdächtige Lieferungen hingewiesen worden waren.

Als Grund für die offenbar verschärften Kontrollen der türkischen Grenzer führte ein Diplomat an, die Regierung in Ankara wolle ein Signal an Syrien und Iran senden, dass sie die gewaltsame Unterdrückung der Opposition in Syrien nicht weiter hinnehmen wolle. Zudem habe man Iran klarmachen wollen, dass die Türkei dem Waffenschmuggel durch ihr Gebiet ein Ende setzen werde und nicht mehr bereit sei, Operationen iranischer Agenten und Mittelsleute in der Türkei zu dulden. Der Diplomat bestand auf Anonymität, um über die sensiblen Informationen sprechen zu können.

Der UN-Bericht zeigt, dass Iran systematisch versucht, die Sanktionen zu unterlaufen. Regelmäßig werden Lieferungen mit Waffen, Munition und Sprengstoffen beschlagnahmt, die mit unverdächtigen Gütern getarnt und falsch deklariert werden. Nachdem der Yas-Air-Transport aufgeflogen war, hatte die Führung in Iran die Revolutionsgarden nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste angewiesen, neue Schmuggelrouten zu suchen. Dabei sollten Bahntransporte, aber auch Luftfracht mit Maschinen aus Drittländern wie Venezuela über die Türkei genutzt werden, und auch die durch den Irak führende Landroute.

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Quelle:
SZ vom 04.08.2011
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