Süddeutsche Zeitung

Verhältnis zwischen EU und Israel:Mehr Feindseligkeit als Freundschaft

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Die Verbindung zwischen Israel und der EU ist derzeit hochgradig gestört. Der Besuch von Parlamentspräsident Martin Schulz ist eine Reise durchs multiple Krisengebiet und gipfelt in einem Eklat in der Knesset. Doch in dem Streit könnte eine Chance für die EU liegen.

Ein Kommentar von Peter Münch, Tel Aviv

Verbündete müssen nicht immer die besten Freunde sein. Wichtig ist, dass sie Interessen teilen, und vor allem sollten sie dieselben Ziele verfolgen. Wer sich jedoch derzeit das Verhältnis zwischen Israels Regierung und der EU anschaut, der sieht den Zeiger auf der nach oben wie unten offenen Beziehungsskala weit näher an der Feindseligkeit als an der Freundschaft. Drohungen und Abwertungen prägen den Umgang, Misstrauen bestimmt die Tagesordnung.

Beim Besuch des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz in der Knesset gipfelte das nun gar in dem Eklat, dass Abgeordnete einer Regierungspartei bei seiner Rede unter Protest aus dem Saal stürmten. Die Verbindung also ist hochgradig gestört - und das ist weder ein Zufall noch ein Unfall, sondern leider eine logische Entwicklung.

Dreh- und Angelpunkt in dieser Auseinandersetzung ist die israelische Siedlungspolitik. Das Merkelsche Diktum, dass man hier darin übereinstimme, nicht übereinzustimmen, kann den Formelfrieden höchstens auf der sehr speziellen bilateralen Ebene sichern. Im Kreis der 28 EU-Nationen aber wächst der Unmut und damit der Handlungsdrang mit jeder neuen Bauankündigung aus Jerusalem. Zu einer gemeinsamen Haltung kann sich die EU zwar bislang wie üblich nur schwer durchringen. Aber während die Europäer noch darunter leiden, dass sie sich selbst fast nichts zutrauen, trauen ihnen die Israelis inzwischen offenbar eine ganze Menge zu.

Eine Frage, die die Beziehungen belastet

Das Stichwort ist ein "europäischer Boykott". Wohin der EU-Parlamentspräsident Schulz in diesen Tagen auf seiner Reise durchs multiple Krisengebiet auch kommt, muss er dazu Stellung nehmen. Doch so oft er auch beteuert, dass davon keine Rede sein kann, so wenig wird ihm Glauben geschenkt. Klar ist, dass diese Frage die Beziehungen belastet - doch tatsächlich könnte genau darin auch eine Chance für die EU liegen, eine eigene Rolle zu finden im Friedensprozess.

Denn der in Jerusalem ausgelöste Boykott-Alarm zeigt trotz seiner Überzogenheit immerhin, dass es auch für die stets als Papiertiger belächelten Europäer durchaus Mittel gäbe, Einfluss auszuüben. Dabei kann es freilich nicht um einen Boykott Israels gehen, der sich schon allein aus historischen Gründen verbietet, weil immer die Konnotation zur Nazi-Parole "Kauft nicht bei Juden" mitschwingt. Aber ein differenzierter und zugleich gezielter wirtschaftlicher Druck könnte durchaus den europäischen Positionen Nachdruck verleihen.

Es ist nicht nur legitim, sondern sogar geboten, dass die Europäer ihre seit Langem formulierten Positionen zum illegalen Siedlungsbau mit Konsequenz verfolgen. Ein erster Schritt war die EU-Leitlinie vom vergangenen Sommer, die bei Kooperationsabkommen eine Förderung von Siedlungen ausschließt. Der nächste Schritt könnte eine Pflicht zur Kennzeichnung von Waren sein, die aus den Siedlungen auf den europäischen Markt kommen. In einzelnen Mitgliedsländern wird das bereits praktiziert. Der Kunde kann so entscheiden, ob er mit seinem Kauf den Siedlungsbau unterstützen will oder nicht.

Gute Nachricht, schlechte Nachricht

Die schlechte Nachricht ist, dass dieser nun zaghaft eingeschlagene Weg der Europäer in Zukunft zu noch heftigeren Auseinandersetzungen mit dem Verbündeten Israel führen könnte. Die gute Nachricht aber ist, dass nur so die Europäer ernst genommen werden.

Dies wiederum ist eine Voraussetzung dafür, dass sich die Beziehungen ehrlich entwickeln - und wieder in eine bessere Ära führen. Schließlich haben die beiden Verbündeten nach wie vor ein gemeinsames Interesse daran, die Zwei-Staaten-Lösung zu verwirklichen. Und das gemeinsame Ziel ist es, Israels Existenz in einem befriedeten Umfeld zu sichern. Dafür lohnt sich auch der Streit.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2014
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