Süddeutsche Zeitung

USA:Kampfplatz Klimaschutz

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Auch beim Klimaschutz zeigen sich die USA als ein Land der Extreme. Den eher liberalen Küsten steht das meist konservative "Heartland" gegenüber.

Kommentar von Peter Richter, New York

Wie es die Amerikaner mit dem Klimaschutz halten? Gegenfrage: welche Amerikaner? Wie immer in diesem reichen Land gibt es genügend Beispiele für jedes Extrem, aber auch für sein Gegenteil. Wenn man nun den Eindruck hat, dass die Regierung in Washington etwas, sagen wir, sprunghaft zwischen kohlezeitlichem Industrieklientelismus und dem Anspruch auf ökologische Weltmarktführerschaft hin und her schwenkt, so spiegelt das eine Zerrissenheit, die in der Bevölkerung täglich wahrnehmbar ist.

Natürlich gibt es auch in den USA Milieus, deren Engagement für Fragen des Umweltschutzes nicht hinter dem der missionarischsten deutschen Grünen-Wähler zurücksteht, bis hin zur Gewissenhaftigkeit bei der Mülltrennung. Aber die sind vor allem an den Küsten stark, während die hartnäckigsten Leugner des Klimawandels eher im Landesinneren zu finden sind, was nicht nur deswegen kein Zufall ist, weil die Folgen steigender Meeresspiegel nun einmal in New York eher spürbar werden als in Kansas. Es hat auch damit zu tun, dass sich diese Frage nahtlos an all die anderen Weltanschauungskonflikte zwischen den eher liberalen Küsten und dem eher konservativen "Heartland" anschließt.

Für jede Tüte aus Recyclingpapier, in der in Boston oder Oakland ein Bio-Brokkoli verpackt wird, wird überall dazwischen jede Packung Kartoffelchips mit grimmiger Überzeugung in mindestens zwei Plastikbeuteln versenkt. Und auf jedes Hybrid-Auto, das man sich in Brooklyn oder Venice Beach im Car-Sharing teilt, kommt irgendwo im Mittelwesten ein extremistischer Hinterwäldler, der den Partikelfilter aus seinem Pick-up-Truck reißt und extra viel Benzin durch einen Spezialauspuff jagt, um auf diese Weise den Rauchausstoß eines maroden Heizkraftwerkes zu erreichen. Fachbegriff: "Rollin' Coal".

Hauptquartiere im ökologischen Bewusstseinskrieg

Bevorzugte Opfer der Rauch-Attacken sind japanische Kleinwagen. Wenn Obama-Aufkleber drankleben oder Homosexuellen-Flaggen, umso besser. Denn natürlich geht es hier im Kern nicht um Umweltschutz, sondern um einen ganzen Komplex von politischen Haltungen.

Dass die liberalen Küsten selbst nicht frei sind von Widersprüchen, steht außer Frage. Städte wie New York oder Los Angeles - und selbst San Francisco - sind Monumente der Energieverschleuderung. Aber es sind trotzdem Hauptquartiere in einem ökologischen Bewusstseinskrieg.

Auf der anderen Seite verbündet sich eine als traditionell amerikanisch verstandene Wissenschaftsfeindlichkeit, der zum Beispiel auch der Kreationismus rechter Christen entspringt, mit einer ebenso als traditionell amerikanisch empfundenen Aversion gegen staatliche Verordnungen. Diese Kopplungen sind so nachvollziehbar wie tragisch.

Wenn sich der Klimaschutz als so patriotische und ultraamerikanische Angelegenheit wie das Recht aufs Waffentragen neu erfinden ließe, würde das den Knoten vielleicht zerschlagen. Nur müsste dies nicht Obama, sondern einer wie Donald Trump erledigen. Und von dem ist es am wenigsten zu erwarten.

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SZ vom 04.08.2015
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