Süddeutsche Zeitung

USA:Trumpcare: Republikaner mitten im Machtkampf

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Von Beate Wild, New Orleans

Seit zwei Monaten stellen die Republikaner neben den Mehrheiten im amerikanischen Kongress auch den ranghöchsten Bewohner des Weißen Hauses. Eine ungeahnte Machtfülle, sofern sich Einigkeit herstellen lässt. Doch davon kann bei der US-Gesundheitsreform keine Rede sein: Von siegestrunkener Harmonie ist wenig übrig, die Konservativen stecken mitten im Richtungsstreit.

Dazu beigetragen haben auch die verheerenden Schätzungen zu den Auswirkungen der geplanten Reform ( bis 2026 verlieren demnach bis zu 24 Millionen Amerikaner ihre Versicherung), die der Kongress-Rechnungshof CBO am Montag vorgelegt hat. Der Graben zwischen den beiden Lagern war schon vorher schwer zu überwinden, nun ist er noch mal größer geworden.

Auf der einen Seite sind die moderaten Konservativen, die vor allem im Senat zu finden sind. Dort ist die Mehrheit dünn, weshalb jede Stimme zählt. Die Gründe für die Ablehnung des Entwurfes, als dessen Architekt der Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan gilt, sind vielfältig: Tom Cotton aus Arkansas gilt beispielsweise eigentlich als Hardliner, sein Bundesstaat konnte allerdings im Zuge von "Obamacare" die Quote der Unversicherten halbieren. Bill Cassidy aus Louisiana wiederum hat einen eigenen Entwurf eingebracht und lehnt deshalb Ryans Version ab.

Im Repräsentantenhaus sind wiederum jene Republikaner skeptisch, die aus Bezirken kommen mit einem hohen Anteil an Rentnern oder Menschen, die durch "Obamacare" erstmals in ihrem Leben versichert sind, und nun Einschnitte zu befürchten haben. Ileana Ros-Lehtinen aus Florida gehört in diese Gruppe. Sie twitterte, eine Unterstützung sei ihr unmöglich, da eine zu hohe Zahl an Menschen, vor allem Ältere und Arme, ihre Versicherung verlieren würden.

Auf der anderen Seite wiederum sind jene Konservativen, denen die Reform nicht radikal genug ist. Zu ihnen gehören Mitglieder des Freedom Caucus, einer erzkonservativen Abgeordnetengruppe, aber beispielsweise auch Senator Rand Paul aus Kentucky oder, etwas zurückhaltender, Ted Cruz aus Texas. Ihnen gehen die Kürzungen bei der neuen Krankenversicherung nicht weit genug, oft ist von "Obamacare Lite" die Rede. Sie fordern ein völlig neues System, in dem mehr oder minder die gesamte Gesundheitsversorgung privatisiert wird, aber trotzdem die Beiträge sinken. Der erzkonservativen Nachrichtenseite Breitbart sagte Rand Paul: "Im Entwurf von Paul Ryan gibt es weiterhin Subventionen, nur dass sie Steuerrückerstattungen genannt werden."

Breitbart, dessen früherer Chef Steve Bannon nun enger Berater von Präsident Donald Trump ist, lässt an Ryan und seiner Reformidee derzeit kein gutes Haar. Mehr noch: Am Dienstag publizierte die Seite plötzlich eine ältere Audio-Datei aus dem vergangenen Oktober. Dort sagt Ryan: "Ich werde Donald Trump nicht verteidigen - nicht jetzt, nicht in der Zukunft." Dass das Timing Zufall ist, glaubt in Washington wohl niemand.

Dabei könnte Ryan Trumps Unterstützung jetzt gut gebrauchen, um seinen Vorschlag im Abstimmungsprozess mit dem Senat halbwegs unbeschadet durchzubringen. Der US-Präsident selber hat intern angedeutet, eher dem rechten Flügel als den Moderaten Zugeständnisse zu machen. Sein politisches Kapital hat er bislang allerdings eher sparsam eingesetzt: Das Weiße Haus beschränkt sich vor allem darauf, die Schätzungen des - von einem Republikaner geführten - Rechnungshofs zu diskreditieren.

Eine Handvoll Senatoren, von Cotton bis Paul, haben Ryan bereits gewarnt, dass der Entwurf in seiner jetzigen Form im Senat einen schnellen Tod sterben wird. Mit zwei Abweichlern im Senat wäre die republikanische Mehrheit dahin.

Die Demokraten sind indes so verzweifelt, dass sie darauf hoffen, dass ein Teil der Wähler die Republikaner 2018 dann dafür bestraft, den Entwurf nicht durchgebracht zu haben, und der andere Teil ihnen den Rücken zukehrt, weil sie solch harte Einschnitte befürworteten.

Trump muss sich nun entscheiden, welches der beiden Lager er unterstützen will. Schlägt er sich auf die Seite der moderaten Republikaner, könnte ein Kompromiss leichter zu finden sein. Doch damit würde er den rechten Flügel gegen sich aufbringen, und damit genau seine Basis, die ihm im Wahlkampf treu gefolgt ist.

Die Radiomoderatorin Laura Ingraham, eine Hardcore-Konservative und im Lager des Präsidenten gut gelitten, unkte bereits: "Ich glaube, das ist eine Falle für Trump. Und es wird böse ausgehen."

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