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US-Wahl:Wenn die Gratulation vor dem Ergebnis da ist

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Sloweniens Premier beglückwünschte Donald Trump schon am Mittwochvormittag zum Sieg, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts entschieden war. In der EU sah man das nicht gerne.

Von Viktoria Großmann, München

Janez Janša twittert wohl nicht ganz so viel wie sein Vorbild Donald Trump, aber doch sehr viel. Nun hat es der slowenische Premierminister zu einiger Berühmtheit gebracht, weil er dem US-Präsidenten bereits am Mittwochvormittag zum Sieg gratulierte. Seine weiteren Tweets lassen darauf schließen, dass er sich nur schwer von einer möglichen Niederlage Trumps überzeugen lassen wird. "Es ist ziemlich klar, dass das amerikanische Volk Donald Trump und Mike Pence für vier weitere Jahre gewählt hat", schrieb er auf Englisch. Und fügte hinzu: "Weiteres Verzögern und Faktenverweigern durch die Mainstream-Medien, umso größer der schlussendliche Triumph des Präsidenten."

Twitter reagierte darauf mit dem standardisierten Hinweis, dass das Ergebnis noch nicht bekannt sei. Diese Anmerkung stört Janša genauso wenig wie andere Trump-Anhänger auch, sie befeuert ihn sogar. Kurz darauf kommentiert Janša die Nachricht, dass Biden in Führung liegt, mit dem Satz: "So wie 2000, als Milošević versuchte, 120 Prozent zu bekommen?"

Gemeint ist der frühere serbische Präsident Slobodan Milošević, der sich nach Wahlen im Jahr 2000 zunächst zum Sieger erklärt hatte, kurz darauf jedoch gestürzt wurde. Diesen Vergleich fand nicht nur der kroatische Präsident Zoran Milanović einigermaßen schräg. Er hoffe, der Premier werde sich während der EU-Ratspräsidentschaft Sloweniens im zweiten Halbjahr 2021 besser betragen, richtete er aus.

Auch in Brüssel und Berlin wurde Janšas Vorpreschen kritisiert, die EU müsse mit einer Stimme sprechen, hieß es. Die slowenische Tageszeitung Večer moniert, dass "natürlich" nur die Visegrad-Gruppe, bestehend aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Polen, sich nicht dazu geäußert habe.

Janša gilt als enger Vertrauter Viktor Orbáns. Wie der ungarische Premier und auch der serbische Präsident Aleksandar Vučić hatte Janša vor der Wahl öffentlich einen Sieg Trumps gewünscht. Die Welt brauche ein starkes Amerika: "Geh, gewinne, Donald Trump." Dass Janšas Begeisterung sich allein darauf gründet, dass First Lady Melania gebürtige Slowenin ist, ist wohl kaum anzunehmen.

Noch im Spätsommer war Außenminister Mike Pompeo zu Besuch in Slowenien gewesen - sowie auch in Tschechien, Österreich und Polen. Er hatte den Ländern Versprechen abgenommen, den chinesischen Konzern Huawei beim Ausbau des 5G-Netzes nicht zu berücksichtigen und auch bei anderen Großprojekten lieber auf die Unterstützung der USA zurückzugreifen.

Trumps Politikstil findet viele Anhänger in den ost- und südosteuropäischen Ländern - wobei jene, die ihm nacheifern, wie Orbán und Janša, auf sehr viel längere Politikkarrieren zurückschauen können. Den ungarischen und den slowenischen Premier eint ihr langer Weg aus der Opposition in den früheren Regimen vor 1990, auf ihnen ruhte Hoffnung. Irgendwann um die Jahrtausendwende wechselten sie den Kurs zum Marktliberalismus und heute hin zum Abbau des Rechtsstaates.

Seit Monaten gibt es Vorwürfe, dass Janša die Pandemie nutzt, um Freiheiten einzuschränken

Auch in Slowenien gilt die Pressefreiheit als gefährdet, Janša hat wiederholt gegen die öffentlich-rechtlichen Medien gewettert, er will ihnen die Finanzierung kürzen. Nun wirft er den Medien gar vor, durch Falschberichterstattung zur Ausbreitung des Coronavirus beizutragen. In einem offenen Brief wehrten sich in der vergangenen Woche 22 Chefredakteure gegen politische Einmischung.

Der 62 Jahre alte Janša ist erst seit März erneut Ministerpräsident in dem Alpenland. Er hatte das Amt bereits von 2004 bis 2008 und von 2012 bis 2013 inne, bevor er wegen einer Korruptionsaffäre zurücktreten musste. Gegen Janšas Regierung gibt es seit Monaten immer wieder Proteste. Demonstranten kritisieren die Medienreform, aber auch, dass die Regierung die Pandemie nutze, um demokratische Rechte einzuschränken. Von Corona-Leugnern grenzen sich die Regierungskritiker klar ab - auf den Demos wird Maske getragen. Janša selbst warnt und mahnt auf Twitter eindringlich, das Virus ernst zu nehmen. Zumindest in diesem Punkt unterscheidet er sich deutlich von seinem amerikanischen Vorbild.

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