Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Besuch der Außenminister:EU setzt ein Zeichen der Freundschaft

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Während in den USA und der Slowakei die Unterstützung für die Ukraine auf dem Spiel steht, treffen sich die Außenminister der EU in Kiew. Baerbock fordert einen "Winterschutzschirm" für das Land.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Das Treffen der EU-Außenministerinnen und -minister an diesem Montag in Kiew war als Geste der Solidarität geplant. Europa steht fest an der Seite der Ukraine - diese Botschaft sollte von der gemeinsamen Sitzung der 27 EU-Vertreter mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba ausgehen. Es war das erste Mal überhaupt, dass der Ministerrat in dieser Form außerhalb der Grenzen der Europäischen Union tagte, ganz zu schweigen davon, dass man dazu in ein aktives Kriegsgebiet gereist war.

Nicht nur der Ort des Treffens war symbolisch wichtig, sondern ebenso der Zeitpunkt - auch wenn das keine Absicht war und die meisten Minister es wohl lieber anders gehabt hätten. Denn die Zusammenkunft fand nur wenige Stunden nach zwei Ereignissen statt, die sehr wohl infrage gestellt hatten, wie fest Europa und der Westen noch an der Seite der Ukraine stehen.

Zunächst kein weiteres Geld aus den USA für die Ukraine

Da war zu einen die Entscheidung des US-Kongresses, in den am Wochenende verabschiedeten Übergangshaushalt zunächst kein weiteres Geld für die Ukraine hineinzuschreiben. Das hatte innen- und parteipolitische Gründe und mag sich in den kommenden Wochen wieder ändern. US-Präsident Joe Biden hat Kiew jedenfalls bereits zugesichert, dass Amerika weiterhin helfen werde. Aber der Haushaltsstreit in Washington hat die tiefe Abneigung vieler Republikaner gegen die fortgesetzte Unterstützung der Ukraine offengelegt. Dieses Problem wird nicht verschwinden.

Und da war zum anderen der Wahlsieg des Populisten Robert Fico im EU- und Nato-Mitgliedsland Slowakei. Er lehnt weitere Militärhilfe für die Ukraine strikt ab, die slowakischen Bürger hätten "andere Probleme", sagt er. Bisher argumentiert in der EU nur der ungarische Regierungschef Viktor Orbán so, dessen Regierung immer wieder Entscheidungen über neue europäische Russland-Sanktionen oder die Freigabe weiterer Geldtranchen an Kiew verzögert. Sollte Fico - wie erwartet wird - tatsächlich der neue Premierminister in Bratislava werden, hätte Orbán einen Verbündeten im Rat der EU-Staats- und Regierungschefs.

Die Freunde der Ukraine in der EU bemühten sich daher, in Kiew alle möglichen Zweifel an der europäischen Treue zu zerstreuen. Das "historische" Ministertreffen beweise, dass Europa zur Ukraine halte, ließ der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wissen. Die Ukraine sei nicht nur ein Beitrittskandidat, sondern auch ein "künftiges Mitglied", schrieb er bei X (vormals Twitter). Ähnlich kategorisch äußerte sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. "Die Zukunft der Ukraine liegt in der Europäischen Union, in dieser Gemeinschaft der Freiheit. Und die wird sich bald erstrecken von Lissabon bis Luhansk", sagte sie.

Was dieses "bald" konkret heißen könnte, war ein Thema des Treffens in Kiew. Die EU-Kommission wird voraussichtlich Anfang November einen Bericht dazu vorlegen, wie weite die Ukraine bei ihren Reformen für einen Beitritt zur Union gekommen ist. Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen dann im Dezember entscheiden, ob förmliche Aufnahmeverhandlungen mit Kiew beginnen sollen. Doch das sind nur Zwischenschritte auf dem Weg zur Mitgliedschaft. Wann die EU die Ukraine aufnimmt, ist völlig unklar. Baerbocks Zeitrahmen ist in der Union keineswegs Konsens. Zudem liegt Luhansk in einer ukrainischen Region, die von Russland besetzt und annektiert wurde.

Ungarn blockiert die Freigabe von 500 Millionen Euro für Kiew

Akuter waren die Gespräche, die Kuleba mit seinen Kolleginnen und Kollegen über die weitere Militärhilfe führte. Baerbock forderte einen "Winterschutzschirm" für die Ukraine - mehr Luftverteidigung, Stromgeneratoren und eine Stärkung der Energieversorgung. "Wir haben im letzten Winter gesehen, in welcher brutalen Weise der russische Präsident diesen Krieg auch führt, indem er bewusst Elektrizitätswerke angreift", sagte die Ministerin.

Verkompliziert wird das Thema Militärhilfe dadurch, dass Ungarn seit Wochen die Freigabe weiterer 500 Millionen Euro aus einem EU-Etat blockiert, über den Waffenkäufe für Kiew finanziert werden. Budapest ist beleidigt, weil die Ukraine die ungarische Bank OTP auf eine schwarze Liste von Unternehmen gesetzt hat, die angeblich Russlands Krieg unterstützen. Der Konflikt scheint allerdings auf eine Lösung zuzusteuern - kurz vor dem Ministertreffen nahm Kiew die Bank vorläufig von der Liste.

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