Süddeutsche Zeitung

Zentralafrika:Uganda muss 325 Millionen Dollar Entschädigung an Kongo zahlen

Lesezeit: 3 min

Das oberste UN-Gericht urteilt, dass ugandische Truppen verantwortlich waren für zivile Opfer, die Zerstörung von Eigentum und das Ausplündern von Gold und anderen Ressourcen im Nachbarland. Das hat sich von dem Richterspruch wesentlich mehr erwartet.

Von Arne Perras, München

Elf Milliarden Dollar Kriegsentschädigung hatte die Demokratische Republik Kongo vom Nachbarland Uganda gefordert, der Staat war deswegen vor das höchste UN-Gericht gezogen und sehnte lange eine Entscheidung herbei. Am Mittwochnachmittag nun ist sie gefallen, Richterin Joan Donoghue verkündete in Den Haag das Urteil in diesem Entschädigungsfall, der nicht nur in Afrika größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen dürfte. Die Summen, die der Internationale Gerichtshof (IGH) festgesetzt hat, blieben sehr weit hinter den Erwartungen aus Kinshasa zurück, obgleich das Gericht eine Verantwortung Ugandas für viele Zerstörungen deutlich benannte: 325 Millionen US-Dollar muss Kampala nun an das Nachbarland an Entschädigungen zahlen.

Der IGH sah es als erwiesen an, dass das ostafrikanische Land, das während des Kongokrieges vor zwei Jahrzehnten eigene Truppen in die umkämpfte Provinz Ituri entsandte und damit zur einer Besatzungsmacht wurde, verantwortlich war für den Verlust Tausender Menschenleben, für Zerstörungen von Eigentum und für die Ausplünderungen von Gold, Diamanten und anderen wertvollen Rohstoffen. Das Gericht betonte allerdings auch, dass diese Entschädigungen keinen "strafenden Charakter" hätten, sondern einen "kompensatorischen". In anderen Worten: Die Richter untersuchten nicht die strafrechtliche Dimension mutmaßlicher Kriegsverbrechen, die seit Jahrzehnten im Kongo geschehen. Die Entscheidung des IGHs wurde im Livestream übertragen.

Das oberste UN-Gericht, dessen Aufgabe es ist, Streitigkeiten zwischen Staaten zu regeln, war schon 2005 zu dem Schluss gekommen, dass Uganda das Völkerrecht verletzt habe, als es mit Truppen Teile des Kongos besetzte und verbündete Milizen aufrüstete. Beide Länder sollten nach dem Willen des Gerichts selbst eine Entschädigungssumme aushandeln. Doch als diese Versuche scheiterten, rief der Kongo das UN-Gericht 2015 erneut an. Während der Kongo allerdings forderte, Uganda müsse Entschädigungen für den Tod von 180 000 Zivilisten zahlen, kam das Gericht zu einem anderen Schluss: ugandische Reparationen seien nur für 10 000 bis 15 000 Todesfälle geltend zu machen.

In der Provinz Ituri tobte von 1998 bis 2003 der sogenannte Zweite Kongokrieg. Zahlreiche Milizen terrorisierten die rohstoffreichen Gegenden an der Grenze zu Uganda und Ruanda, rivalisierende Warlords versprachen der Bevölkerung Schutz oder forderten brutal Gefolgschaft ein. Sie verfolgten Gegner gnadenlos. Es kam zu zahlreichen Massakern und der Vertreibung Hunderttausender Kongolesen.

Als wesentlicher Auslöser für die Destabilisierung des Ostkongos galt zunächst der Völkermord an Tutsis und gemäßigten Hutus in Ruanda 1994. Radikale Hutu-Milizen flüchteten danach ins Nachbarland und formierten sich vor allem in den Kivu-Provinzen als militärische Kraft, weshalb auch die ruandische Armee zeitweise intervenierte.

In der Grenzprovinz gibt es riesige Goldvorkommen

Weiter nördlich, in Ituri, dominierte einige Jahre lang die ugandische Armee, in dieser Zeit eskalierten ethnische Spannungen zwischen zwei Volksgruppen, Hema und Lendu. Ugandischen Truppen wurde vorgeworfen, Konflikte gezielt zu schüren, um im Schatten des Kriegs Rohstoffe zu plündern. Die Goldvorkommen in Ituri zählen zu den größten Lagerstätten Afrikas.

Uganda wies solche Vorwürfe zurück und rechtfertigte die Intervention mit der Notwendigkeit, seine Grenzen zu schützen und feindlich gesinnte Milizen zu bekämpfen, ganz ähnlich argumentierte damals auch Ruanda. Bis zu neun Länder waren zeitweise in den Krieg im Kongo verwickelt.

UN-Ermittler fanden heraus, dass Uganda allein 2004 Gold im Wert von mindestens 60 Millionen Dollar exportierte, aber selbst nur Mengen im Wert von neun Millionen Dollar im eigenen Land förderte. Vermutet wird, dass noch weitere lukrative Rohstoffgeschäfte im Verborgenen abgewickelt wurden. Uganda profitierte auch vom Schmuggel wertvoller Tropenhölzer, die über die Grenze geschafft wurden.

Schon in Zeiten des korrupten Diktators Mobutu war die staatliche Kontrolle über Ituri gering, später kollabierte sie komplett, rivalisierende militärische Akteure füllten das Vakuum. Eine große Blauhelm-Truppe wirkte stets überfordert, ihr gelang es nicht, Massaker an schutzlosen Zivilisten zu verhindern.

Wieder sind ugandische Soldaten im Land

Das Urteil des IGH fällt in eine Zeit, in der ugandische Truppen erneut die Grenze überschritten haben, dieses Mal allerdings kämpfen sie Seite an Seite mit kongolesischen Regierungstruppen, sie jagen in einer gemeinsamen Offensive Kämpfer einer Gruppe, die sich "Allied Democratic Forces" (ADF) nennt. Angeblich sollen sich zumindest Teile der Miliz mit dem IS verbündet haben.

Die ADF wird für zwei Selbstmordanschläge in Ugandas Hauptstadt Kampala verantwortlich gemacht, bei denen im November vier Menschen starben und Dutzende verletzt wurden. Nach jüngsten UN-Erkenntnissen haben Milizen der ADF 2021 mindestens 1200 Menschen im Kongo ermordet, ob und wie stark sie vom IS gesteuert wird, bleibt jedoch unklar.

Kongos Präsident Felix Tshisekedi weiß um die Empfindlichkeiten in seinem Land gegenüber ausländischen Truppen. Er versicherte, dass die ugandischen Soldaten dieses Mal nur so lange im Land bleiben werden, bis der Anti-Terror-Einsatz beendet sei. Wann dies sein wird, ließ er aber offen.

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