Süddeutsche Zeitung

Trump gegen Biden:Vier Erkenntnisse aus dem TV-Duell

Lesezeit: 4 min

Herausforderer Biden wirkt gegen den bulldozernden US-Präsidenten Trump nicht immer souverän. Der Demokrat enttäuscht den linken Flügel, während Trump einer weißen Rassisten-Gruppe rät, "sich bereitzuhalten".

Von Alan Cassidy, Washington

1. Eine Schlammschlacht, keine Debatte

Aggressiv, forsch, raumgreifend: Das ist Donald Trump oft, und niemand hatte ernsthaft damit gerechnet, dass er plötzlich staatsmännisch auftreten würde. Doch was der US-Präsident während des ersten TV-Duells bot, war selbst für seine Verhältnisse brachial - und das Resultat war eine Debatte, wie es sie noch nie gab. Trump fiel Joe Biden schon nach wenigen Minuten ständig ins Wort, rief dazwischen, unterbrach auch den Moderator Chris Wallace andauernd - was diesen sichtlich überforderte. "Würden Sie ihn ausreden lassen?", flehte der Fox-News-Mann mehr als einmal an die Adresse Trumps.

Die Unterbrechungen waren das eine, der Tonfall das andere. Trump attackierte Biden schon früh und wiederholt auf persönlicher Ebene. Als der demokratische Kandidat den Umgang Trumps mit der Corona-Pandemie kritisierte und über den Präsidenten sagte, dass "noch viel mehr Leute sterben werden, sofern er nicht sehr schnell sehr viel smarter wird", schoss Trump zurück: "Verwenden Sie mir gegenüber nie den Begriff smart. Sie haben jeweils entweder als schlechtester oder fast schlechtester Ihrer Klasse abgeschlossen. Nichts an Ihnen ist smart."

Biden seinerseits startete gegen diesen bulldozernden Trump schwach und unsicher, er brauchte Zeit, bis er in die Debatte fand - und kam dann immerhin ohne gröbere Aussetzer durch den Rest des Abends. Doch falls es je Bidens Strategie war, sich von Trump nicht provozieren zu lassen, scheiterte er damit. "Halten Sie endlich den Mund", rief der frühere Vizepräsident nach einer weiteren Unterbrechung durch Trump, und kurz darauf sagte er: "Kläffen Sie weiter, Mann!" Später nannte er Trump einen "Clown". Souverän wirkte das nicht.

Eine inhaltliche Diskussion war unter diesen Voraussetzungen schwierig, und von jenen unentschlossenen Wählern, die sich von dieser TV-Debatte neue Einsichten erhofften, wurden wohl viele enttäuscht.

2. Trump, die Rechtsextremen und die Wahl

Das heißt nicht, dass das Duell nicht klare Kontraste zwischen den Kandidaten zeigte. Auf die Frage von Moderator Chris Wallace, ob sich Trump von gewaltbereiten, weißen Nationalisten und rechtsextremen Milizen distanziere, antwortete der Präsident mit einem halbherzigen "Ja, aber". Er sehe Gewalt fast nur von radikalen Linken, sagte er. Als Wallace nachhakte, sagte Trump an die Adresse der "Proud Boys", einer Gruppe von Rechtsextremen, die derzeit bei vielen Protesten bewaffnet auftaucht: "Stand back and stand by", grob übersetzt: "Tretet zurück und haltet euch bereit." Jemand müsse etwas gegen Linksextreme tun.

Zudem wurde Trump gefragt, ob er seine Anhänger zur Ruhe anhalten werde, wenn sich die Auszählung der Wahlergebnisse wie erwartet über eine längere Zeit hinzieht. "Falls es eine zu 100 Prozent faire Wahl ist, bin ich zu 100 Prozent an Bord", sagte Trump - und rief dann seine Unterstützer auf, am Wahltag zu den Wahllokalen zu gehen, um sicherzustellen, dass es dort keinen "Betrug" gebe. Erneut weigerte sich Trump auch, eine allfällige Niederlage zu akzeptieren, und sagte stattdessen: "Das wird nicht gut enden."

Biden warf Trump vor, auf diese Weise Wähler vom Gang an die Urne abhalten zu wollen. Sollte er verlieren, werde er seine Niederlage aber akzeptieren, sagte der Demokrat.

3. Und immer wieder Corona

Zu den Folgen der Corona-Pandemie, während der in den USA bereits mehr als 200 000 Menschen gestorben sind, war ein eigener Themenblock angesetzt. Aber dabei blieb es nicht: Auch bei den Themen Wirtschaft und Supreme Court kam die Sprache auf das Virus, weil Joe Biden darin offensichtlich eine vielversprechende Gelegenheit sah, Trump zu attackieren. Er kritisierte ihn dafür, die Gefahr durch das Virus heruntergespielt zu haben und Schulen und Geschäfte nicht ausreichend beim Umgang mit der Pandemie zu unterstützen.

Er warf dem Präsidenten vor, unverantwortlich zu handeln, indem er Wahlkampfauftritte mit Tausenden Menschen abhalte, bei denen kaum jemand eine Maske trägt. Trump denke dabei nur an sich, sagte Biden: "Er macht sich keine Sorgen um euch." Und er wandte sich direkt an die Zuschauer, als er fragte: "Wie viele von Ihnen sind heute Morgen aufgestanden und fanden in der Küche einen leeren Stuhl vor, weil jemand an Covid gestorben ist?"

Der Präsident lobte sich dagegen dafür, mit Einreisesperren gegenüber China und Europa mehr Tote verhindert zu haben. "Sie hätten einen viel schlechteren Job gemacht", sagte er an die Adresse von Biden, und er versprach: "Wir sind nur wenige Wochen von einem Impfstoff entfernt." Dem Demokraten warf Trump vor, dass er die US-Wirtschaft in einen zweiten Lockdown führen wolle, während er, Trump, die Wirtschaft wieder dorthin zurückführen werde, wo sie vor der Pandemie stand: auf einem Rekordhoch.

4. Biden und der linke Flügel der Demokraten

Joe Biden setzte sich in den demokratischen Vorwahlen gegen eine Reihe von Konkurrenten des linken Parteiflügels durch. Seit er der offizielle Präsidentschaftskandidat der Partei ist, bemüht er sich darum, diesen progressiven Flügel bei der Stange zu halten, ohne moderate Wähler abzuschrecken. Trump griff ihn dafür in der Debatte wiederholt an: Er stehe unter der Fuchtel der "radikalen Linken" in der Partei, etwa, weil er deren Green New Deal zur Bekämpfung des Klimawandels umsetzen wolle.

Biden konterte diese Angriffe dadurch, dass er sich gezielt an die Mitte wandte. Es gebe niemanden in der Partei, der ihm die Richtung vorgebe: "Ich bin die Demokratische Partei", deklamierte Biden. In einigen inhaltlichen Punkten äußerte er sich dezidiert anders als die progressiven Aktivisten, etwa, indem er im Zusammenhang mit Polizeigewalt nicht von systemischem Rassismus sprach, sondern von "ein paar schlechten Exemplaren" unter den vielen guten Polizisten, gegen die man vorgehen müsse. Biden wies auch die Forderung der "Black Lives Matter"-Bewegung zurück, der Polizei die Mittel zu entziehen.

All dies unterstrich, warum der 77-Jährige am linken Flügel der Demokraten kaum Begeisterung auslöst - und nach dieser Debatte wohl noch weniger.

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