Süddeutsche Zeitung

Thüringen:Polizei geht gegen Neonazigruppe vor

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Die "Turonen" gelten als hochkriminelle und brutale Rechtsextreme. Bei Razzien gegen deren Unterstützer finden die Ermittler Drogen und Waffen.

Von Antonie Rietzschel, Leipzig

Die Fenster des "Gelben Hauses" in dem kleinen thüringischen Ort Ballstädt im Landkreis Gotha sind am Freitagmorgen hell erleuchtet. Drinnen laufen Polizeibeamte durch die einzelnen Räume. Das "Gelbe Haus", das Anwohner und Verfassungsschutz wegen der Farbgebung der Fassade so nennen, gilt seit Jahren als Treffpunkt für die Anhänger der gefährlichsten und einflussreichsten Neonazi-Gruppen Thüringens.

Die Unterstützer der "Turonen" und der "Garde 20" haben Verbindungen zu den in Deutschland verbotenen Gruppen "Combat 18" und "Blood & Honour". Seit Jahren stehen die "Turonen" im Fokus der Ermittlungsbehörden. Einzelne Anhänger wurden über einen längeren Zeitraum vom Verfassungsschutz abgehört.

Bei einer groß angelegten Razzia ging die Polizei nun gegen Unterstützer der rechtsextremen Gruppe vor. 500 Einsatzkräfte, darunter Spezialkräfte, durchsuchten insgesamt 27 Wohn- und Geschäftsräume in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Dem Landeskriminalamt Thüringen zufolge geht es um großangelegten Drogenhandel und Geldwäsche.

Bei den Durchsuchungen fanden die Beamten Drogen und Bargeld. Im "Gelben Haus" stieß die Polizei außerdem auf mehrere Langwaffen, darunter Karabiner aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Polizei vollstreckte neun Haftbefehle, die Beschuldigten im Alter zwischen 24 und 55 Jahren befinden sich in Untersuchungshaft.

Innenminister Georg Maier sprach von einem "wirkungsvollen Schlag". Der SPD-Politiker hat den Kampf gegen Rechtsextremismus zur obersten Priorität gemacht. In den vergangenen Jahren gelang es ihm und einer extra eingerichteten Taskforce in Zusammenarbeit mit den Kommunen rechtsextreme Konzerte sowie den Ankauf von Immobilien durch Neonazis zu verhindern. Doch die Strukturen blieben bestehen.

Innerhalb der thüringischen rechtsextremen Szene spielten die seit 2015 bestehenden "Turonen" eine besondere Rolle. Organisiert wie eine Rockergruppe verfügen sie über klare Hierarchien und eigene Codes. Zu ihrem Erkennungszeichen gehört eine schwarze Raute und die Zahl "20" für das "T", den 20. Buchstaben im Alphabet. Der Verfassungsschutz rechnet dieser selbsternannten Bruderschaft ungefähr 30 Personen zu, darunter mehrfach vorbestrafte Schläger.

Gruppe soll mit der Droge Crystal Meth handeln

Öffentlich traten die "Turonen" vor allem als rechtsextreme Eventmanager auf, zwischen 2014 und 2018 organisierten sie mehr als ein Dutzend Neonazi-Konzerte, darunter auch das rechtsextreme Festival "Rock gegen Überfremdung", bei dem im Juli 2017 etwa 6000 Neonazis nahe dem südthüringischen Ort Themar feierten.

Der Verfassungsschutz schätzt, dass dabei bis zu 200 000 Euro Umsatz gemacht wurden, Geld das auf Umwegen auf die Konten der "Turonen" gelangt sein soll. Schon länger gab es Vermutungen, dass die "Turonen" auch mit Prostitution und Drogenhandel Geschäfte machen. Sie sollen ein Netzwerk unter anderem für den Verkauf von Crystal Meth aufgebaut haben, berichtet der MDR.

Als eine der Hauptfiguren der "Turonen" gilt Thomas Wagner, der bis zu seiner Festnahme im "Gelben Haus" in Ballstädt wohnte. Wagner wurde im sogenannten Ballstädt-Prozess als Haupttäter angeklagt. 2014 hatten Neonazis im Ort eine feiernde Kirmesgesellschaft überfallen und brutal zusammengeschlagen. Beim anschließenden Prozess wurden zehn Angeklagte wegen schwerer Körperverletzung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Wagner bekam drei Jahre und sechs Monate. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil im vergangenen Jahr auf, wegen Formfehlern.

Das Landgericht Erfurt bemühte sich zuletzt darum, mit den Verfahrensbeteiligten einen Deal auszuhandeln, um das Verfahren abzukürzen. Welche Auswirkungen die Durchsuchungen und Festnahmen auf dieses Vorgehen haben, ist noch unklar. Innenminister Maier kündigte an, ein mögliches Verbot der "Turonen" prüfen zu wollen.

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