Süddeutsche Zeitung

Trump und Macron:Das Gefummel der Mächtigen

Lesezeit: 3 min

Ein Küsschen hier, ein Tätscheln da: Beim Staatsbesuch können Trump und Macron kaum voneinander lassen. Eine Körpersprache-Expertin analysiert die wichtigsten Szenen.

Von Jana Anzlinger

Mit dem Handschlag beginnt der Kampf. Emmanuel Macron und Donald Trump versuchen jeweils, den anderen zu sich zu ziehen. Nach wenigen Sekunden sind ihre Oberkörper aneinander gepresst und ihre Finger in einem unnatürlichen Winkel ineinander gekrampft. Es sieht aus, als sei Macrons Daumen gebrochen. Frankreichs Präsident presst die Lippen zu einem Lächeln zusammen und fummelt mit seiner freien Hand an Trumps Nacken herum. Der mächtigste Mann der Welt haut unterdessen mit der Linken in die Luft, bevor es ihm gelingt, Macrons Handrücken zu tätscheln. Immer noch sind ihre Fäuste verkeilt.

Nach neun quälenden Sekunden lassen sie einander los und wenden sich zum Gehen. Während die Zuschauer sich noch fragen, wer denn nun gewonnen hat, greift Macron an Trumps Schulter und streichelt sie, bis die beiden das Podium verlassen haben.

Frankreichs Präsident Macron ist in Washington auf heikler Mission: Er soll den US-Präsidenten vom Pariser Klimaschutzabkommen überzeugen, ihm Strafzölle ausreden, seine Syrien-Strategie ändern und ihn davon abhalten, den Iran-Deal aufzukündigen. Doch die Öffentlichkeit diskutiert mindestens genauso viel über den körperlichen Nahkontakt der beiden wie über ihre politischen Verhandlungen. Was hat das zuweilen bizarr anmutende Anfass-Spektakel zu bedeuten?

"Macron ist wichtig, gute Bilder zu erzeugen", sagt die auf Körpersprache spezialisierte Psychologin Monika Matschnig. "Das Getätschel soll ein Signal sein, dass sie sich mögen. Aber es geht beiden auch darum, als der Stärkere dazustehen." Sie vermutet, dass Macron den Griff an Trumps Schulter im Voraus geplant hat: "Wer dieses Bild im Fernsehen sieht, interpretiert Macron als den Stärkeren."

Auf der Veranda des Weißen Hauses hingegen habe der US-Präsident die Oberhand gehabt, als er Macron hinter sich herzog wie einen Schuljungen. "Er wollte zeigen: Das ist mein Territorium. Ich führe diesen Herrn."

Wie gut die Gespräche der beiden hinter verschlossenen Türen laufen, lässt sich Matschnig zufolge aber nicht aus dem Getatsche schließen - auch nicht aus einem weiteren Video von einem Fototermin. Darauf ist zu sehen, wie Trump seinem Besuch angebliche Schuppen von der Schulter bürstet. Er macht darum ein Aufhebens, das die freundschaftliche Geste vergiftet. Sie hätten eine "sehr spezielle Beziehung", sagt Trump, und deshalb müsse er Macron von den Schuppen befreien. "Wir müssen ihn perfekt machen. Er ist perfekt."

"Da wird jetzt hineininterpretiert, dass er Macron oder dessen Vorschläge wegwischen wollte. Aber so war das nicht", sagt Matschnig. Sie glaubt eher, dass Trump "den kleinen Macron aus dem kleinen Frankreich" vor der Presse herabsetzen wollte.

Besondere Aufmerksamkeit lag schon bei früheren Zusammentreffen mit Staatschefs auf Trumps ganz speziellem Handschlag: Der US-Präsident zieht das Gegenüber mit einem Ruck an sich heran. Für die Geste ist er so berüchtigt, dass sich mancher gezielt auf die Begrüßung vorbereitet. Macron selbst sagte nach Trumps Besuch in Paris zur Washington Post: "Mein Handschlag mit ihm - der war nicht unschuldig. So stellt man sicher, dass man respektiert wird. Du musst zeigen, dass du keinerlei Zugeständnisse machst - nicht einmal im Kleinen."

Auch Kanadas Premier Justin Trudeau wehrte sich erfolgreich gegen den Trump-Ruck. Nicht gewappnet war hingegen Shinzō Abe. Der japanische Premierminister wurde allerdings weniger vom Ruck überrumpelt als von der Länge des Händedrucks: 18 Sekunden lang umklammerte Trump vor Fotografen seine Hand. In Japan gilt das als extrem unhöflich. Abe lächelte gequält in die Kameras, während Trump ihn zähnebleckend angrinste. Danach musste der Japaner sichtbar durchatmen.

Eine andere peinliche Szene spielte sich bei einem Treffen zwischen Donald Trump und Angela Merkel ab. Bei einem Fototermin saß der US-Präsident regungslos neben ihr, ohne ihr die Hand zu geben. Später erklärte er, weder ihr "Wollen wir uns die Hand geben?" noch die "Händedruck!"-Rufe der Fotografen gehört zu haben.

Diesen Freitag hat die Kanzlerin die Gelegenheit, ihm die Unachtsamkeit heimzuzahlen. Vermutlich wird sie in Washington gleich mehrmals Trumps Hand schütteln, auch das eine oder andere Küsschen dürfte es geben. Ein so zupackender Besuch wie von Macron ist aber nicht zu erwarten.

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