Süddeutsche Zeitung

Impeachment gegen Trump:Neue Argumente für die Amtsenthebung

Lesezeit: 3 min

Analyse von Reymer Klüver

Gut, wirklich überraschend ist es nicht: Bill Weld, der frühere Gouverneur von Massachusetts, und Joe Walsh, ein ehemaliger Kongressabgeordneter, haben sich für ein Impeachment-Verfahren gegen ihren Parteifreund Präsident Donald Trump ausgesprochen. Beide sind Republikaner, beide haben sich selbst zu innerparteilichen Gegenkandidaten gegen Trump ernannt, und beide spielen in der Partei keine Rolle. Und sonst?

Sonst steht die Front der Republikaner. Zumal in Sachen Impeachment. Die meisten Senatoren und Kongressabgeordneten schweigen zu der Angelegenheit. Der texanische Senator John Cornyn, ein alter Fahrensmann, fasste zusammen, was landläufige Meinung in seiner Partei zum drohenden Verfahren gegen Trump sein dürfte: "Das wird auf die Demokraten zurückfallen."

Einzig der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat und heutige Senator Mitt Romney hatte den Verdacht "extrem beunruhigend" genannt, Trump könnte den ukrainischen Präsidenten unter Druck gesetzt haben, Ermittlungen gegen den Sohn des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers Joe Biden zu starten. Aber schon am Dienstag ruderte Romney zurück: "Es ist noch zu früh, solche Unterhaltungen zu führen", formulierte er leicht gestelzt.

Da hatte die mächtige Chefin der Demokraten im Kongress, Nancy Pelosi, gerade angekündigt, dass sie nun im Ernst mit den Vorbereitungen für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump beginnen wolle.

Pelosi hatte bisher alle Bestrebungen in ihren Reihen niederkartätscht, den Impeachment-Prozess einzuleiten. Den ersten Vorstoß, Trump per Impeachment aus dem Weißen Haus zu jagen, gab es übrigens schon, da war er noch nicht einmal vereidigt und im Weißen Haus eingezogen.

Die Mehrheit der US-Bürger war bislang gegen ein Impeachment-Verfahren

Die 79 Jahre alte Pelosi hat im Laufe ihrer langen politischen Karriere den Ruf erworben, sehr genau Stimmen zu zählen und Mehrheitsverhältnisse einschätzen zu können. Und so hatte sie immer darauf verwiesen, dass die meisten Amerikaner ein Impeachment-Verfahren selbst gegen Trump ablehnen. In Umfragen (vor Bekanntwerden der Ukraine-Affäre) sprachen sich tatsächlich stets um die 55 Prozent der US-Bürger dagegen aus. Nur ein gutes Drittel der Amerikaner war dafür.

Jetzt hat Pelosi nachgegeben. Zwei Überlegungen dürften dafür ausschlaggebend gewesen sein. Zum einen - Pelosi kann, wie gesagt, Stimmen zählen - sind da die Mehrheitsverhältnisse in ihrer eigenen Fraktion. Die Befürworter eines Verfahrens wurden in den vergangenen Wochen ohnehin kontinuierlich mehr. Nach den Ukraine-Enthüllungen haben nun auch viele bisherige Impeachment-Skeptiker bei den Demokraten ihre Zurückhaltung aufgegeben. Die überwältigende Mehrheit der demokratischen Kongressabgeordneten ist inzwischen für ein Verfahren.

Zum anderen aber haben sich die Argumente für ein Impeachment verändert. Bisher dienten als Begründung für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren vage Vorwürfe, Trump könnte Verbindungen nach Russland gehabt und später versucht haben, die Aufklärung der Vorwürfe zu verhindern. Eine schwierige Geschichte, kompliziert, zu kompliziert, um damit den Rausschmiss des Präsidenten zu rechtfertigen.

Hat Trump sich mit einer fremden Macht eingelassen?

Das könnte sich nun geändert haben. Trump, so der Vorwurf, hat sich mit einer fremden Macht eingelassen. Er wollte eine Schmutzgeschichte fabrizieren, die man im Wahlkampf daheim gegen seinen mutmaßlichen Konkurrenten einsetzen kann. Das geht gar nicht.

Sicher, den eingeschworenen Anhängern des Präsidenten zwischen den Bergen Virginias und der Wüste Nevadas werden solche Vorwürfe nichts ausmachen. Trump ist ihr Mann, sie werden die Vorwürfe als Fabrikationen der Medien abtun, so wie es Trump selbst in seinen Einlassungen via Twitter macht.

Aber in der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Suburbia, wo es schon ein ahndenswertes Vergehen ist, den Dreck vom Hund auf dem Gehweg liegen zu lassen, wird ein solch eklatanter Regelvorstoß nicht so leicht durchgehen. Zumal auch patriotische Gefühle im Spiel sind: Geschäfte mit einer ausländischen Macht zu Lasten eines Landsmannes - das dürfte bei nicht wenigen Widerwillen und Empörung hervorrufen. Gerade bei Wählern, die inzwischen ohnehin Zweifel haben, ob sie vor drei Jahren die richtige Entscheidung getroffen haben, als sie für Trump stimmten.

Die Aussicht, dieses vor drei Jahren an die Republikaner verlorene Wählerreservoir mit dem neuen Impeachment-Narrativ wieder anzapfen zu können, dürfte Nancy Pelosi auch dazu bewogen haben, ihren Widerstand gegen ein Amtsenthebungsverfahren aufzugeben. "Wir bitten ausländische Regierungen nicht darum, bei unseren Wahlen zu helfen", sagte sie am Dienstag. Den Satz könnten auch Republikaner unterschreiben.

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