Süddeutsche Zeitung

Trump und das Coronavirus:Virologe in Chief

Lesezeit: 3 min

Von Thorsten Denkler, New York

Es gibt ja echte Wissenschaftler, die derzeit daran arbeiten, ein Mittel gegen das Coronavirus zu entwickeln. Und es gibt Donald Trump. Der US-Präsident hat kürzlich von sich behauptet, die Leute könnten ja kaum glauben, wie viel er von diesen Dingen verstehe.

Es geht um Chloroquin, einen Wirkstoff, der seit Jahrzehnten effektiv gegen Malaria eingesetzt wird. Trump erzählt nun, dass dieses Malariamittel sich ganz hervorragend im Kampf gegen die Lungenkrankheit Covid-19 eignen könnte. Das führte er am Freitag im Briefing-Raum des Weißen Hauses aus, wo er inzwischen täglich für ein Corona-Update auftaucht. Er begründete das wissenschaftlich fundiert mit seinem "guten Gefühl". Es könne zwar auch anders sein. Aber er sei eben ein "smart guy", ein "cleverer Typ", der schon oft richtig gelegen habe.

Darum sei er ein "großer Fan" der Idee, dass Chloroquin helfen könnte. Das werde alles sehr aufregend, sagte er, als stünde ein Durchbruch in der Frage kurz bevor. "Es ist sehr effektiv. Es ist ein starkes Medikament", erklärte Trump.

Schon am Donnerstag hatte er an gleicher Stelle das Malariamittel gepriesen. Es habe großes Potential, es habe sogar schon den Genehmigungsprozess der zuständigen US-Behörde FDA durchlaufen. Die FDA hat das umgehend dementiert. Es gebe so ein Verfahren nicht. Und das Coronavirus sei auch nicht zu den möglichen Anwendungsgebieten des Mittels hinzugefügt worden.

Experten halten Trumps Ausführungen für großen Nonsens. Sogar jene Experten offenbar, die während dieser Pressebriefings neben Trump stehen und Teil der Corona-Task-Force des Weißen Hauses sind.

Anthony Fauci etwa, Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten. Ein anerkannter Immunologe, der bereits sechs Präsidenten diente. Er muss vorsichtig sein. Er ist dem Präsidenten schon mehrfach in die Quere gekommen in dieser Krise, weil er dessen Falschbehauptungen öffentlich geradegerückt hat. Trump mag so etwas ganz und gar nicht. Darum sagt Fauci, dass er und Trump die Dinge am Ende ja ganz ähnlich sehen würden. Aber was Fauci danach erklärt ist, im Grunde das vollkommene Gegenteil.

Das Malariamittel habe womöglich mal Patienten geholfen, die an einem anderen Sars-Virus erkrankt seien, sagt Fauci, während Trump neben ihm steht. Unterlegt sei das jedoch lediglich mit "anekdotischer Evidenz". Mit anderen Worten: Es gab dazu vereinzelte Berichte. Aber nie wissenschaftliche Studien. Die von Trump entfachte Hoffnung, dass mit Chloroquin schnell ein Mittel gegen Covid-19 zur Verfügung stellen könnte, zerstört Fauci umgehend: Im besten Fall werde es Monate dauern, um zu wissen, ob das Malariamedikament "wirklich sicher und wirklich wirksam" sei.

Die Forschung steht erst ganz am Anfang

Schon am Tag zuvor hatte der Leiter der FDA, Stephen Hahn, offenbar vergeblich versucht, Trump die Komplexität der Frage klarzumachen. Die FDA wolle zwar erforschen lassen, ob das Malariamittel in Bezug auf Covid-19 irgendeinen Nutzen haben könnte. Aber: "Wir wollen dies im Rahmen einer klinischen Studie tun - einer großen, pragmatischen klinischen Studie -, um diese Informationen tatsächlich zu sammeln und die Fragen zu beantworten, die beantwortet werden müssen."

Damit steht die FDA auch nicht alleine: Wissenschaftler aus aller Welt untersuchen diverse neue und bereits auf dem Markt befindliche Wirkstoffe darauf, ob sie einen Einfluss auf den Verlauf von Covid-19 haben, darunter auch das Malariamittel.

Fauci erklärte allerdings, dass die gesamte Forschung erst am Anfang stehe. Erste Studien zeigten lediglich, dass es sich lohnen könnte weiterzuforschen. Gewissheit gebe es nicht.

Den US-Präsidenten interessiert das wenig. Er hat beim deutschen Hersteller Bayer angeblich "Millionen" Dosen Chloroquin bestellen lassen. Ein Teil soll verwendet werden, um weitere Studien zu betreiben. Einen Teil aber will er wohl Ärzten zur Verfügung stellen, um sie an schwerkranken Covid-19-Patienten auszuprobieren. Denn: "Wir haben nichts zu verlieren!", sagt Trump.

Mit der Begründung sollte er den Patienten besser Globuli-Kügelchen verabreichen lassen. Die sind zumindest harmlos. Chloroquin ist in hohen Dosen toxisch und kann in seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen verursachen. Niemand kann zudem sagen, wie sich die Gabe auf Covid-19-Patienten auswirken würde. Es ist selbst unklar, mit welcher Dosis gearbeitet werden könnte.

Der Immunologe Barry Bloom von der Harvard School of Public Health sagte Anfang der Woche, erste Labortests zeigten, dass Chloroquin womöglich nur "im frühesten Stadium der Krankheit" eine signifikante Wirkung habe. Derzeit werden aber in den USA fast ausnahmslos Menschen getestet, die bereits schwere Symptome haben.

Das alles hat Trump am Freitag nicht davon abgehalten, das Medikament weiter zu loben: "Sie können es jetzt, wenn Sie möchten, auf Rezept bekommen", sagt er, als würde er sich in einem Werbeblock an Angehörige von Covid-19-Patienten wenden.

Der deutsche Virologe Christian Drosten hat sich in seinem täglichen Podcast auf NDR Info auch mit den Nachrichten über die mögliche Wirksamkeit von Chloroquin beschäftigt. Er bezieht sich vor allem auf eine französische Arbeit. Bisher sei der Wirkstoff nur in Zellkulturen getestet worden. Die menschliche Lunge sei aber etwas völlig anderes. "Ich möchte nicht sagen, Chloroquin wirkt nicht. Aber so wie diese Studie gemacht wurde, sind wir kein Stück schlauer", sagte er.

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