Süddeutsche Zeitung

Trump-Berater:Steve Bannon entmachtet sich selbst

Lesezeit: 4 min

Von Matthias Kolb

Steve Bannon teilt die Welt in klare Kategorien ein. Freund oder Feind, schwarz oder weiß - dazwischen gibt es nichts. Entsprechend deutlich sind die Urteile des früheren Wahlkampfmanagers von Donald Trump. In einem Interview sagte er, Präsidentensohn Donald Junior und Trump-Schwiegersohn Jared Kushner hätten "verräterisch" und "unpatriotisch" gehandelt, als sie sich im Juni 2016 mit einer russischen Anwältin trafen, die ihnen "Schmutz" über die Demokratin Hillary Clinton angeboten hatte.

Das Vorgehen der Trump-Zöglinge sei "dämlich" gewesen, donnerte Bannon, aber demnach kaum verwunderlich: "Das waren eben die schlauesten Köpfe, die sie hatten." Dann legte der 64-Jährige nach: Er unterstellte Kushner, dem Ehemann von Trumps Lieblingstochter Ivanka, ebenso wie Ex-Wahlkampfchef Paul Manafort Geldwäsche ("dieser Scheiß ist schmierig") - und sagte voraus, dass Sonderermittler Robert Mueller dafür sorgen werde, dass Donald Junior im Laufe der Russland-Untersuchung zerbrechen werde "wie ein Ei".

Zu finden sind diese Zitate im Buch "Fire and Fury. Inside the Trump White House" von Michael Wolff, das am Montag erscheint und in Auszügen auf den Websites des Guardian und des New York Magazine nachzulesen ist. Die Reaktion des US-Präsidenten ist mit "Feuer und Wut" gut beschrieben: In einem offiziellen Statement teilte Trump mit, dass Bannon "nicht nur seinen Job, sondern auch seinen Verstand verloren habe", als dieser im August als Chefberater zurücktrat. Trump beschuldigte Bannon, seine Zeit im Weißen Haus vor allem dazu genutzt zu haben, sich wichtig zu machen und "falsche Informationen" an die Medien gegeben zu haben. Später eskalierte die Lage: Trumps Anwälte schickten ihm eine Unterlassungserklärung und drohten rechtliche Schritte an.

Dass der Eklat das politische Washington schockiert, liegt nicht nur an den peinlichen Anekdoten und saftigen Zitaten - in einer E-Mail beschreibt Wirtschaftsberater Gary Cohn den Präsidenten mit den Worten: "ein Idiot, der von Clowns umgeben" ist. Steve Bannon hat mit seinen Aussagen die wohl wichtigste Regel von Donald Trump missachtet: Er hat öffentlich über dessen Familie gelästert. Die heftige Reaktion des Präsidenten war absehbar, Bannon hat sich selbst entmachtet.

In den vergangenen Monaten hatte er sich als Bewahrer von Trumps populistischer Agenda inszeniert und Kandidaten unterstützt, die das angeblich korrupte Establishment in Washington stürzen wollen. Sein Ruf als genialer "Fürst der Finsternis" hatte bereits im Dezember gelitten, als der Hardliner Roy Moore in Alabama eine Senats-Nachwahl verlor - für ihn hatte Bannon wochenlang geworben.

Doch dessen wichtigstes Argument, wonach er Trumps Agenda besser kenne als jeder andere und das Vertrauen des im konservativen Amerika hochpopulären Präsidenten genieße, ist nun dahin. Wörtlich sagte Trump: "Steve Bannon hat nichts mit mir und meiner Präsidentschaft zu tun." Die konservative Partei-Elite hofft nun, dass vor der Kongresswahl im November interne Schlammschlachten (wie etwa in Alabama) ausbleiben, welche vor allem den Demokraten nützen. Erste ultrakonservative Kandidaten wie Kelli Ward, die in Arizona für einen Senatsitz kandidiert, distanzieren sich bereits von Bannon und betonen ihre Nähe zu Trump. Auch die Finanz-Unterstützung von Gönnerin Rebekah Mercer hat er verloren.

In seiner Breitbart-Radioshow vermied Bannon am Mittwoch das Thema - als ihn ein Anrufer danach fragte, sagte er nur: "Der US-Präsident ist ein großartiger Mann und ihr wisst, dass ich ihn von morgens bis abends unterstütze." Diese Worte werden ihn nicht besänftigen, als treffend gilt eher der Vergleich des Trump-Beraters Ed Rollins: "Bannon wurde auf dem Rasen vor dem Weißen Haus erschossen und dann von einem Panzer überrollt. Der Präsident hat dann den Rückwärtsgang eingelegt und ist nochmals drüber gefahren."

Welche Folgen die Verbannung von Bannon aus Trumps engstem Kreis haben wird, ist wie so oft bei diesem Präsidenten schwer abzusehen. Einiges spricht dafür, dass Trump zumindest kurzfristig mehr auf Mitch McConnell und Paul Ryan, die wichtigsten Republikaner im Kongress, hören dürfte. Beide wurden laufend von Bannon und dessen Propaganda-Organ Breitbart News attackiert und werden nun versuchen, Trumps nationalpopulistische Instinkte zu zähmen und ihn zu mehr Kompromissbereitschaft zu bewegen.

Diese wäre dringend nötig, wenn der historisch unpopuläre Präsident 2018 gesetzgeberische Erfolge feiern möchte: Sowohl für Reformen bei Sozialprogrammen als auch beim Einwanderungsrecht (hier geht es um das Schicksal der 800 000 jungen Dreamer) benötigen die Republikaner nun die Unterstützung von mindestens neun demokratischen Senatoren. Ob und wie lange sich Trump in diese Richtung disziplinieren lässt, ist völlig offen. Laut New York Times, deren Reporterin Maggie Haberman das Buch "Fire and Fury" gelesen hat, beschreibt Michael Wolff Donald Trump als einen "schlecht informierten und völlig unseriösen Kandidaten und Präsidenten", dem es nur um das eigene Ego gehe und der entsprechend formbar ist.

In der Washington Post betont der Trump-Biograph Michael Kranish jedoch, dass eine Versöhnung zwischen Bannon und Trump zwar "unwahrscheinlich, aber durchaus möglich" sei. Der heutige Präsident habe sich immer wieder mit Bekannten arrangiert, die er zuvor öffentlich verstoßen und verhöhnt hatte. Dafür spricht, dass Bannon entgegen Trumps Statement sehr wohl großen Einfluss auf dessen überraschend erfolgreiche Wahlkampagne hatte. Er beeinflusste seit Ende 2012 Trumps Meinung etwa in Sachen Zuwanderung und bestärkte ihn, sich in den letzten Wochen des Wahlkampfs auf Attacken gegen Hillary Clinton zu konzentrieren.

Die Berichte über Bannon als "Mastermind" im Weißen Haus, der Trump wie ein Puppenspieler dirigiert habe, waren wohl stets übertrieben. Wenig Zweifel gibt es aber daran, dass Bannon genau weiß, wie Trump tickt und wie man dessen Ego schmeichelt. Diese Fähigkeit könnte ihm nochmal nutzen, wenn der US-Präsident frustriert ist über seine Berater oder das konservative Establishment.

Fest steht: Das Polit-Jahr 2018 ist in den USA nach nicht mal einer Woche noch turbulenter geworden und die Aufregung dürfte noch weiter wachsen, wenn das Buch "Fire and Fury" endlich in den Buchläden steht. In der Bestsellerliste von Amazon ist es innerhalb weniger Stunden von Platz 48 449 auf Platz eins geklettert.

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