Süddeutsche Zeitung

Tötungskommandos:Der General und die anderen

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Immer wieder bringen amerikanische Drohnen oder Spezialkommandos Terrorführer um. Beim Angriff in Bagdad aber gibt es Unterschiede zu früheren Operationen.

Von Hubert Wetzel

Spezialeinheiten oder Drohnen - das sind seit Jahren für US-Präsidenten die Waffen der Wahl, um Terrorverdächtige in aller Welt auszuschalten. Osama bin Laden und Abu Bakr al-Bagdadi, die Anführer der Terrororganisationen al-Qaida und "Islamischer Staat", wurden in Pakistan und Syrien von US-Soldaten getötet. Zugleich haben das amerikanische Militär und die CIA in Afrika, im Nahen Osten, in Afghanistan und Pakistan Tausende Luftangriffe mit bewaffneten, ferngesteuerten Drohnen geflogen. Manchmal trafen die Raketen dabei ihr beabsichtigtes Ziel, zum Beispiel den islamistischen Prediger Anwar al-Awlaki, der in Jemen getötet wurde. Sehr oft kamen aber auch Zivilisten um.

Der US-Drohnenangriff, bei dem am Donnerstag in Bagdad der iranische Kommandeur Qassim Soleimani starb, passt nur zum Teil in dieses Muster. Einerseits sehen die Amerikaner den Generalmajor der iranischen Armee als Terroristen. Soleimani führte die Quds-Brigaden an, die für Auslandseinsätze zuständigen Elitetruppe der iranischen Revolutionsgarden. Diese wurden von den USA offiziell als "ausländische Terrororganisation" eingestuft, unter anderem weil sie für den Tod von Hunderten amerikanischen Soldaten im Irak verantwortlich seien. Die Quds-Brigaden spielten eine führende Rolle in einer "globalen Terrorkampagne" des iranischen Regimes, so Washington.

Andererseits war Soleimani aber eben kein weiterer Bin Laden oder al-Bagdadi. Die Quds-Einheiten, die er kommandierte, waren nicht Teil eines nicht-staatlichen Terrornetzwerks, auch wenn er im Irak und in Syrien oft mit irregulären schiitischen Milizen zusammengearbeitet hat, sondern gehörten zu den Streitkräften der Islamischen Republik Iran. Soleimani hatte einen offiziellen militärischen Rang und eine offizielle Position im iranischen Sicherheitsapparat. Wenn die US-Armee Angehörige von militanten Gruppen tötet, kann man das rechtlich, politisch und militärisch unter die vage Rubrik Antiterroreinsatz stellen. Für einen tödlichen Angriff auf einen ranghohen Regimevertreter muss man allerdings wohl eine andere Bezeichnung wählen - Krieg.

Ein Krieg gegen Iran ist jedoch genau das, was US-Präsident Donald Trump zumindest nach eigenem Bekunden stets vermeiden wollte. Trump hat Iran in der Vergangenheit immer wieder massiv gedroht und scharfe Wirtschaftssanktionen gegen das Land verhängt. Aber einer direkten militärischen Konfrontation wich er aus. "Wir wollen Frieden", hatte er vor einigen Tagen noch gesagt, nachdem die Anhänger einer von Iran gesteuerten schiitischen Miliz im Irak die amerikanische Botschaft in Bagdad attackiert hatten.

Am Freitag bemühte sich die US-Regierung, den Luftschlag als Akt der Verteidigung darzustellen, nicht als offensive Aktion. Außenminister Mike Pompeo sagte, Soleimani habe einen unmittelbar bevorstehenden Angriff geplant, bei dem viele Amerikaner getötet werden sollten. Der Angriff hätte "Dutzende, vielleicht Hunderte Leben von US-Bürgern in Gefahr gebracht". Und Trump zitierte auf Twitter ein Sprichwort, das man fast als ein Gesprächsangebot an Teheran werten konnte: "Iran hat nie einen Krieg gewonnen, aber nie bei Verhandlungen verloren!".

So gesehen war der Angriff auf Soleimani von Trump vielleicht gar nicht als Kriegserklärung gemeint, sondern als Demonstration der Stärke, als eine Art dramatischer Eröffnungszug in einem riskanten Schachspiel mit Teheran. Ob Iran das auch so sieht, ist allerdings eine ganz andere Frage.

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SZ vom 04.01.2020
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