Süddeutsche Zeitung

Streit um Fahrverbote:"Ich werde keinen Millimeter nachgeben"

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Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter fordert, dass Deutschland sich im Transit-Streit bewegt. Er selbst beharrt auf den umstrittenen Fahrverboten - diese seien "Notwehr".

Interview von Leila Al-Serori

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter reist an diesem Donnerstag zu einem Verkehrsgipfel mit Bundesminister Andreas Scheuer nach Berlin. Es soll kurz vor dem bayerischen Ferienbeginn eine Lösung im Transit-Streit erreicht werden. Von den kürzlich erlassenen Fahrverboten für Stau-Umfahrer und Lkw-Blockabfertigungen will Platter aber auf keinen Fall ablassen, erklärt er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung - auch wenn Deutschland mit Klage droht.

SZ: Sie bezeichnen die Fahrverbote und Lkw-Blockabfertigungen in Tirol als "Notwehr". Warum die martialische Wortwahl?

Günther Platter: Auf Tirols Straßen geht nichts mehr. Wir haben an manchen Tagen einen völligen Verkehrsstillstand. Wir hatten schon Fälle, da kamen Einsatzfahrzeuge der Rettung nicht mehr durch, weil es sich selbst auf Nebenstraßen staute. Deshalb Notwehr - durch unsere Maßnahmen ist die Verkehrs- und Versorgungssicherheit wieder gewährleistet. Und die deutschen Kollegen verstehen offenbar nur diese Sprache, denn jetzt kommt Bewegung in die Debatte.

Deutschland nennt diese Fahrverbote diskriminierend und "willkürlich"; die Blockabfertigungen seien hinderlich für den freien Warenverkehr. Verkehrsminister Andreas Scheuer will klagen.

Das ist für mich unverständlich. Die Maßnahmen müssen sich die Deutschen einfach gefallen lassen, schließlich haben sie zu lange nichts getan. Wir sprechen seit über einem Jahrzehnt über eine höhere Lkw-Maut, um diesen untragbaren Transitverkehr zu vermeiden. Aber außer netten Gesprächen und leeren Versprechen ist bisher nichts passiert. Deutschland hat immer der Transitlobby nachgegeben. Deshalb ist die Strecke von München bis Verona viel zu billig. Deshalb haben wir mehr Lkw-Verkehr über den Brenner als über alle sechs anderen Alpenübergänge in der Schweiz und in Frankreich. Die bayerische Bevölkerung leidet genauso unter diesem Transitverkehr. Viele Bürgermeister in Bayern sehen das wie ich.

Die Fahrverbote zielen aber auf private Pkw-Fahrer ab, die in den Urlaub unterwegs sind. Die dürfen nicht mehr von der Autobahn abfahren.

Die Aufregung ist überzogen. Wer in einer Ortschaft essen möchte oder dort übernachten, kann ja weiterhin abfahren. Und die mautfreie Brenner-Bundesstraße ist ebenfalls weiterhin offen, es geht nur um die Stauumfahrungen durch Ortschaften. Da müssen wir einfach die lokale Bevölkerung schützen. Tatsächlich höre ich aber auch von vielen Polizisten, dass die Reisenden sehr verständnisvoll reagieren.

In der öffentlichen Debatte klingt das anders. Die bisher guten Beziehungen zwischen Bayern und Tirol wirken durch Ihr Vorpreschen belastet. Ist es das wert?

Ich verstehe mich mit den bayerischen Freunden gut, wir sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Was sich auf Tirols Straßen abspielt, ist aber wirklich nicht lustig. Tirol ist die am stärksten belastete Region im gesamten Alpengebiet. Da geht es um mehr als nur um gute Beziehungen zu den Nachbarn. Ich habe den Eindruck, dass die Entscheidung des EuGH gegen die deutsche Pkw-Maut die Verstimmung bei Verkehrsminister Scheuer bekräftigt. Da sucht man wohl Tirol als Sündenbock. Dabei war ich ein Gegner von Österreichs Klage gegen die deutsche Maut.

Über Verkehrsminister Scheuer haben Sie zuletzt gesagt, dass er zu wenig mit Ihnen kommuniziere.

Diese Woche haben wir schon kommuniziert. Andreas Scheuer hat viel von seinen Vorgängern geerbt. Daher habe ich auch entschieden, seiner Einladung nach Berlin zu folgen. Obwohl es vernünftiger gewesen wäre, sich an Ort und Stelle in Tirol zu treffen. Damit er sehen kann, worum es eigentlich geht.

Sie haben sich zuerst offengehalten, ob Sie an dem Gipfel teilnehmen. Am Montag haben Sie sich dazu entschieden. Warum?

Entscheidend war für mich, was auf der Tagesordnung steht. Nach Gesprächen unserer Kabinette zeichnet sich ab, dass sich Deutschland bewegt. Deshalb fahre ich.

Was erwarten Sie sich?

Ich gehe offen in dieses Treffen. Worüber ich aber auf keinen Fall diskutieren werde, sind die Fahrverbote und die Lkw-Blockabfertigung. Ich werde keinen Millimeter nachgeben, diese Maßnahmen sind unverrückbar. Auch wenn wir am Donnerstag eine höhere Lkw-Maut beschließen würden.

Diese sogenannte Korridormaut fordern Sie schon länger. Selbst wenn diese also beschlossen würde und damit eine erste Einigung erzielt, rücken Sie nicht von Ihren Blockabfertigungen und Fahrverboten ab?

Wir können diese Notmaßnahmen nur beenden, wenn der Verkehr tatsächlich zurückgeht - wir machen sie ja nicht aus Jux, sondern weil sie notwendig sind. Erst wenn die Entlastung greift, können wir darüber reden. Nur die Maut zu beschließen, ist mir zu wenig. Außerdem müssen wir gewährleisten, dass der Brenner-Basis-Tunnel 2028 in Betrieb gehen kann, damit der Güterverkehr auf die Schiene verlagert wird. Wir haben die Hausaufgaben gemacht, nur den letzten Abschnitt konnten wir noch nicht fertig planen, weil wir immer noch nicht wissen, welche Trasse in Deutschland gewählt wird. Ich habe die Bauarbeiten übrigens kürzlich besichtigt. Wäre schön, wenn die Verkehrspolitiker aus Berlin sich den Tunnel auch anschauen würden, das ist bisher nämlich nicht passiert. Dabei ist das kein Tiroler Projekt, sondern ein europäisches. Es geht um die Bahnstrecke von Berlin bis Palermo.

Derzeit gibt es weder den Brenner-Basis-Tunnel noch eine höhere Lkw-Maut. Am Wochenende beginnen in Bayern die Ferien, das wird sich auch auf Tirols Straßen auswirken, wenn viele Menschen in Richtung Süden fahren.

Es wird sicher ein starkes Reisewochenende. Ich kann nur appellieren, dass nicht alle am selben Tag fahren. Und dass man sich von seinem Navi nicht auf Umwege ableiten lässt - denn die Fahrverbote werden gültig sein. Wer bei uns Urlaub machen möchte, kann natürlich weiterhin abfahren. Und die Gäste, die nach Italien wollen, müssen einfach in Kauf nehmen, dass sie auf der Autobahn bleiben müssen.

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Quelle:
SZ vom 25.07.2019
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