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Nebeneinkünfte:Thüringens CDU droht die nächste Krise

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Mario Voigt gilt als Hoffnungsträger der Konservativen im Freistaat. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft steht er jetzt unter Korruptionsverdacht.

Von Ulrike Nimz, Leipzig

Im September machte Mario Voigt einen Schritt nach vorn. Unter dem Reiter "Transparenz" listet Thüringens CDU-Chef auf seiner Webseite Nebeneinkünfte auf. Darunter Bilanzen seiner Beraterfirma in Jena und ein Gehalt, das er als Professor für Digitale Transformation und Politik an der Quadriga-Hochschule Berlin bezieht. Er wolle "Sachaufklärungen umfassend unterstützen", schrieb Voigt damals, auch wenn er nicht wisse, was ihm im Detail vorgeworfen werde.

Zuvor hatte der Justizausschuss des Thüringer Landtages die parlamentarische Immunität des CDU-Fraktionsvorsitzenden aufgehoben. Nur einen Tag vor dem Parteitag, auf dem Voigt mit 85,2 Prozent der Stimmen zum Landesvorsitzenden der CDU gewählt wurde. In seiner Rede sprach der frisch gekürte Chef von "Störfeuer" zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt und warb um Vertrauen.

Kemmerich, Maaßen, Maskendeals - Thüringen ist klein, die Skandale sind es nicht

Am Donnerstag nun durchsuchten das Thüringer Landeskriminalamt und die Erfurter Staatsanwaltschaft Wohn- und Geschäftsräume von Mario Voigt und dessen Eltern in Jena, Erfurt und dem Saale-Holzland-Kreis. Der Vorwurf: Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, wie der MDR zuerst berichtete.

Wenn es um politische Skandale geht, müssten die Menschen in Thüringen und auch Mario Voigt inzwischen Routine haben. Während der vergangenen Jahre hat er seine Partei schon in, durch und aus Krisen geführt. Nachdem CDU und AfD im Februar 2020 die Wahl Thomas Kemmerichs (FDP) zum Kurzzeitministerpräsidenten ermöglicht hatten, handelte Voigt in endlosen Erfurter Nächten den "Stabilitätspakt" mit aus, jene befristete Zusammenarbeit zwischen CDU und linksgeführter Minderheitskoalition, die verhinderte, dass der Freistaat komplett im Chaos versank.

Als Parteikollegen aus Südthüringen zur Bundestagswahl den Ex-Verfassungsschutzchef und Verschwörungsanhänger Hans-Georg Maaßen als Kandidaten aufstellten, bezeichnete Voigt dies der bundesweiten Aufregung zum Trotz als "demokratische und legitime Entscheidung der Mitglieder vor Ort". Das Mandat ging verloren an den Ex-Biathleten Frank Ullrich von der SPD.

Voigt soll bei der Landtagswahl 2024 Spitzenkandidat der CDU werden

Dass Maaßen überhaupt antreten konnte als vermeintlicher Retter des Wahlkreises 196, war Folge eines weiteren Skandals, der Mario Voigt nun über Umwege einzuholen scheint. Im März 2021 war der Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann wegen dubioser Anzeigen- und Maskengeschäfte ins Visier von Ermittlungen geraten und trat daraufhin aus der Partei aus. Inzwischen hat die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt, aber es sollen Hinweise aus dem Fall Hauptmann sein, die nun zur Einleitung eines Korruptionsverfahrens gegen Mario Voigt geführt haben. Wie der MDR berichtet, soll es dabei um Voigts Engagement für die Europäische Volkspartei (EVP) im Europawahlkampf 2019 gehen. Demnach soll Voigt einen Auftrag an eine Internetagentur vergeben haben, die ihm im Gegenzug ein Beraterhonorar von 17 000 Euro gezahlt haben soll.

Voigts Anwalt Valentin Sitzmann nennt die Vorwürfe nicht nachvollziehbar und überzogen. "Es besteht noch nicht einmal eine tragfähige Grundlage für den Verdacht." Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sei "übermäßig und unverhältnismäßig". Es gebe offenbar "ein hohes Bedürfnis der Behörden an Veröffentlichung".

Für die Union birgt allein diese Veröffentlichung Ungemach. Schließlich gilt Oppositionsführer Voigt als designierter Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2024, als jemand, der den kleinen, aber zankfreudigen Thüringer Landesverband auf Linie halten kann. Würde er beschädigt, stünde bei der im Osten ohnehin dünnen Personaldecke nicht sofort ein logischer Nachfolger parat.

Mario Voigt weist die Vorwürfe zurück. "Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen", erklärt er in einem schriftlichen Statement. "Meine Bereitschaft zu Transparenz und Mitarbeit gilt weiterhin."

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