Süddeutsche Zeitung

Thüringen:Höcke scheitert mit Misstrauensvotum gegen Ramelow

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Der Versuch des AfD-Fraktionsvorsitzenden, den Ministerpräsidenten im Landtag zu stürzen, misslingt. Dennoch steht die Minderheitsregierung vor einem großen Problem.

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke ist mit dem von seiner Fraktion initiierten Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) gescheitert. 46 Abgeordnete stimmten gegen Höcke, für ihn 22. Die CDU-Fraktion enthielt sich, wie zuvor angekündigt. Daran änderten auch die eindringlichen Apelle aus anderen Fraktionen nichts.

Grünen-Abgeordnete Madeleine Hefling bezeichnete Höcke während ihrer Wortmeldung im Plenarsaal als "unwählbar". Die AfD benutze den Thüringer Landtag einmal mehr für Spielchen und Taktierereien, sie schade der Demokratie. Hefling forderte die CDU-Fraktion dazu auf, sich mit einem entschiedenen "Nein" gegen Höcke und damit gegen Faschismus und die Verbreitung völkischen Gedankenguts zu positionieren. Auch SPD-Politikerin Diana Lehmann schloss sich, wie viele der ihr nachfolgenden Redner, der Forderung an und konfrontierte die CDU-Fraktion mit ihrer Vermutung: "Sie haben Angst, aus ihrer Fraktion stimmt jemand für Björn Höcke."

Den Aufforderungen kam die CDU-Fraktion nicht nach. CDU-Abgeordneter Mario Voigt betonte während seiner Wortmeldung: "Wir boykottieren Sie, Herr Höcke, und die AfD, weil sie für unseren Freistaat eine Schande sind." Thüringen brauche keine Partei, die versuche, Nationalismus durchzusetzen und nichts aus der Geschichte gelernt habe. "Ihre Farbe ist nicht blau, ihre Farbe ist braun und genau dieses braune Gift brauchen wir hier nicht."

Linke-Abgeordneter André Blechschmidt betonte, es sei nun sichtbar geworden, mit welch höhnischen Mitteln die AfD versuche, das Parlament und die parlamentarische Demokratie weiter zu beschädigen. Robert-Martin Montag (FDP) bekräftigte, es gebe nur eine Antwort in Richtung Höcke und seiner AfD-Fraktion: "Diese Antwort heißt fünfmal Nein."

Ramelow (Linke) hatte sich dem konstruktiven Misstrauensvotum im Erfurter Landtag am Freitag stellen müssen, nachdem die AfD-Fraktion einen entsprechenden Antrag eingebracht hatte. Sie hatte ihren Vorsitzenden Björn Höcke als Gegenkandidaten ins Rennen schickt. Damit "wollen wir die formalen Voraussetzungen dafür schaffen, die gescheiterte Minderheitskoalition von Bodo Ramelow zu beenden", hatte die AfD-Fraktion als Ziel ausgegeben.

Höckes Kandidatur galt allerdings von Anfang an als aussichtslos. Alle anderen Fraktionen im Parlament hatten bereits vor der Plenarsitzung angekündigt, nicht für ihn stimmen zu wollen. Um Ramelow als Regierungschef zu Fall zu bringen, hätte Höcke aber die absolute Mehrheit im Parlament auf sich vereinigen - also mindestens 46 Stimmen erreichen müssen. Seine eigene Fraktion kommt auf 22 Sitze.

Die Ankündigung der CDU-Fraktion, sich bei der Wahl enthalten zu wollen, hatte bereits vor der Landtagssitzung am Freitag für Kontroversen gesorgt. CDU-Fraktionschef Mario Voigt hatte diesen Schritt damit begründet, dass sich die CDU nicht an den "Tricksereien" und "Spielchen" der AfD beteilige. "Das sichtbarste Zeichen, das die CDU-Fraktion setzen kann, ist, dass die CDU-Fraktion bei dieser Farce, die die AfD-Fraktion hier anleiert, nicht mitmacht", sagte Voigt. Während der Plenarsitzung sagte Blechschmidt (Linke) dazu: "Ich glaube, nein, ich weiß, dieses selbstgewählte Erklärungskonstrukt wird Ihnen viel mehr schaden."

Der Landesverfassungsschutz stuft die Thüringer AfD als "erwiesen extremistisch" ein. Höcke gilt als Mitgründer des inzwischen formal aufgelösten und vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Flügels" der AfD.

Aus den Reihen der CDU hatte es auch abweichende Positionen zur Enthaltung der Landespartei gegeben. So hatte etwa der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz getwittert: "Wenn die AfD im thüringischen Landtag ein 'konstruktives' Misstrauensvotum einbringt und Herrn Höcke als Ministerpräsidenten vorschlägt, gibt es für die CDU nur eine Möglichkeit, sich richtig zu verhalten: Sie muss mit 'Nein' stimmen."

In ihrer Begründung, warum sie ein konstruktives Misstrauensvotum beantragt hatte, hatte die AfD-Fraktion auch Bezug zur gescheiterten Landtagsauflösung genommen, die eine Neuwahl im Herbst hätte auslösen sollen. Linke, SPD, Grüne und CDU hatten die Auflösung des Parlaments zwar vereinbart, konnten aber nicht die nötige Zweidrittelmehrheit sicherstellen und sagten die Abstimmung daher wieder ab.

Tatsächlich war es besonders Linken und Grünen darum gegangen, nicht auf Stimmen der AfD angewiesen zu sein. Beide Parteien fürchteten eine ähnliche Situation wie am 5. Februar 2020. Damals hatte sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mithilfe der Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Ein Tabubruch, der das Land in eine tiefe politische Krise führte. Nach dem Rücktritt Kemmerichs wurde zwar Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt, doch seine rot-rot-grüne Minderheitsregierung war auf einen Stabilitätspakt mit der CDU angewiesen, um in wichtigen Abstimmungen auf eine Mehrheit zu kommen.

Nun steht Thüringen also erneut vor einer möglichen Parlamentskrise. Die CDU-Fraktion, die etwa eineinhalb Jahre lang Stimmen für wichtige Projekte beisteuerte, erteilte einer erneuten Zusammenarbeit mit Ramelows rot-rot-grüner Minderheitsregierung eine Absage.

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