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"Super Tuna":Warum ein K-Pop-Song in Japan richtig Ärger macht

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Das Lied "Super Tuna" ist eigentlich nur eine leichte, heitere Ode an das Angeln. Und doch befeuert der Song eine alte koreanisch-japanische Fehde.

Von Thomas Hahn, Tokio

Selbst im schillernden Dasein des K-Pop-Künstlers Kim Seok-jin alias Jin gibt es verzichtbare Vorkommnisse. Diese Coronavirus-Infektion zum Beispiel, die er sich trotz vollständiger Impfung eingefangen hat, genauso wie Suga und RM, zwei seiner Kollegen aus dem gefeierten Boy-Septett BTS. Lästig. Und davor war ja diese kleine Welle des Zorns, mit der japanische Internetnutzer auf Jins Solo-Lied "Super Tuna" reagierten - weil darin der Begriff "Ostmeer" vorkommt.

Über Corona wundert man sich kaum mehr, und laut Management muss sich die globale Fangemeinde nicht sorgen um ihre BTS-Stars. Aber dass ein Spaß-Popsong die koreanisch-japanische Fehde um die Bezeichnung für das pazifische Binnenmeer zwischen Japans Inselbogen und asiatischem Festland befeuert, zeigt die Brüche im Verhältnis der Nachbarn. Für Japan ist "Japanisches Meer" der einzige rechtmäßige Name dieser Ozean-Ecke. Korea sieht darin ein Zeugnis der japanischen Kolonialherrschaft von 1910 bis 1945 und besteht auf "Ostmeer". Genauer gesagt: Südkorea tut das. Nordkorea plädiert für "Koreanisches Ostmeer". Es ist kompliziert.

Der Song "Super Tuna" ist hingegen ganz leicht. Jin hat das Lied selbst geschrieben und zu seinem 29. Geburtstag Anfang Dezember herausgebracht. Es ist eine heitere Ode an das Angeln, die Jin mit eigens konzipierten Tanzelementen verstärkt. Wie fast alles, das aus dem BTS-Kreis kommt, wurde das Musikvideo sofort eine Internetsensation mit 20 Millionen Aufrufen auf Youtube am ersten Tag und anderen Streaming-Rekorden.

Umso geringeres Vergnügen bereitete einigen japanischen Internetbürgern der koreanische Text des Songs. Da heißt es nämlich, ins Deutsche übersetzt: "Ostmeer, Westmeer. Wo ist mein Fisch?" Ostmeer! "Die ganze Welt hört 'Super Tuna'. Japans Menschen müssen richtig protestieren", lautete einer der Kommentare.

Für neutrale Betrachter ist es schwierig, sich in diesem Streit auf eine Seite zu schlagen. Forscher aus beiden Ländern haben ihre Argumente. Und in der Art, wie sie die jeweils andere Seite nicht akzeptieren, sind sich Koreaner und Japaner sehr ähnlich. Viele Atlanten führen die Bezeichnung "Japanisches Meer" und in Klammern "Ostmeer". Aber tatsächlich konnte die Internationale Hydrografische Organisation (IHO) in Monaco ihr altes Standardwerk Nummer 23 "Limits of Oceans and Seas" zur Seekartenproduktion seit 1953 nicht aktualisieren, "da sich Japan und Korea (...) nicht auf eine Benennung des Seegebietes zwischen ihren Ländern einigen konnten", wie es im deutschen Fachmagazin Hydrographische Nachrichten heißt.

Erst im November 2020 auf der Generalversammlung der IHO stimmten auch die Koreas und Japan einem Kompromiss zu. Er sieht vor, dass der Name zu einem Zahlencode wird, der in einem Standard-Datensatz zu den Abgrenzungen globaler Seegebiete aufgeht. Ende des Streits? Eher nicht. "Rückgewinnung des 'Ostmeeres'", titelte damals die Korea Times. Die Japan Times schrieb: "IHO billigt Vorschlag, um weiter nur 'Japanisches Meer' zu nutzen."

Sänger Jin wird den Ärger verkraften. Viele in Japan mögen K-Pop. Und den Super-Tuna-Text kann er nicht ändern. Aus künstlerischen Gründen. "Japanisches Meer" passt nicht ins Versmaß.

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