Süddeutsche Zeitung

Steuerstreit: Schäuble und die FDP:Bollwerk gegen die Liberalen

Lesezeit: 4 min

Die Geschichte zwischen Schäuble und der FDP ist die Geschichte einer Entfremdung zweier Gleichgesinnter: Warum der Finanzminister nicht mit dem liberalen Koalitionspartner kann und ihn konsequent an den Rand der Verzweiflung bringt.

Thorsten Denkler, Berlin

Noch hat Wolfgang Schäuble nicht verloren, noch lohnt es sich zu kämpfen für den Finanzminister. Gegen die mangelnde Haushaltsdisziplin in den eigenen aber vor allem in den Reihen der FDP. Gegen diesen Wahn, um jeden Preis Steuern senken zu wollen.

Am Wochenende hat er das den Koalitionären noch mal deutlich vor Augen geführt, als ihn die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP baten, mal die finanzielle Lage des Landes zu erklären. Auf gut 100 Milliarden Euro Zusatzbelastungen kommt er für die kommenden Jahre, wird berichtet. Sie entstünden durch die Energiewende, Mehrkosten der Bundeswehrreform, die Eurokrise.

Genug auf jeden Fall, um den Begriff "Spielräume" im Zusammenhang mit der mittleren Finanzplanung des Bundes für einen schlechten Witz zu halten. Die FDP tut das nicht. Sie will die Steuern senken. Koste was es wolle. Schäuble aber lässt kaum mit sich reden.

Es ist schon erstaunlich: Schäuble besetzt als Finanzminister ein Schlüsselressort in dieser sogenannten Wunschkoalition. Zwei sich selbst als bürgerlich bezeichnende Parteien, Brüder im Geiste, die nach elf Jahren endlich wieder gemeinsam das Land regieren können.

Doch ausgerechnet an ihm scheitert ein Wunschprojekt der FDP nach dem anderen: Steuersenkungen? Bisher hält Schäuble die Hand fest auf der Staatsschatulle. Steuervereinfachungen? Schäuble verschleppt jeden Versuch, damit loszulegen. Mehrwertsteuerreform? Bei Schäuble treffen die Liberalen auf taube Ohren.

Statt brüderlich-bürgerlicher Harmonie nur noch Zwist. Schäuble ist für die FDP zu einer auf gefährliche Weise berechenbaren Größe geworden: Mit ihm geht nichts. Gar nichts. Dass die Liberalen in dieser Koalition kaum punkten können, machen sie vor allem an Schäuble fest. Der macht ihnen schlicht ihr Kerngeschäft kaputt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Schäuble mit der FDP gemeinsam regiert. Er war schon unter Kanzler Helmut Kohl Innenminister, Fraktionschef und Kanzleramtsminister. Damals hatte er mit den alten FDP-Größen Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff zu tun. Zwei, mit denen er sich auf Augenhöhe messen konnte.

Elf Jahre später muss er sich erst mit Guido Westerwelle herumschlagen und jetzt mit dem Jungspund Philipp Rösler. Als Schäuble 1972 Bundestagsabgeordneter wurde, war Rösler noch gar nicht geboren.

Es fällt ihm schwer, den Neuen an der FDP-Spitze ernst zu nehmen. Gleich mehrfach hat er ihn auflaufen lassen und sogar öffentlich düpiert, als er Ende Mai offenherzig aus einem vertraulichen Gespräch berichtete, er und Rösler seinen sich einig, dass das mit den Steuersenkungen jetzt erst mal nichts werde. Und wenn es dann irgendwann mal Spielräume gebe, dann könne ja immer noch geschaut werden, was drin ist.

Sollte es je eine Vertrauensbasis gegeben haben zwischen Schäuble und der FDP, spätestens mit dieser Indiskretion war sie zerstört.

Eskaliert ist der Konflikt aber wohl schon früher. Im vergangenen Jahr musste Schäuble wegen einer rollstuhlbedingten Krankheit zweimal für mehrere Wochen aussetzen. Im Frühjahr 2010 hatten die Liberalen noch stillgehalten. Im Herbst aber polterte die damalige und schnell genervte Fraktionschefin Birgit Homburger vor Presseleuten, der Schäuble tue ja was, "nur eben nicht das, was die FDP will".

Nicht wenige haben darin eine versteckte Rücktrittsforderung gesehen. Schäuble, damals wegen seines Krankenhausaufenthaltes und der Affäre um seinen zurückgetretenen Pressesprecher ohnehin erheblich angeschlagen, hat das nicht vergessen.

Wo es geht, versuchen die Liberalen jetzt Finanzpolitik an Schäuble vorbei zu machen. Die Grundsatzeinigung auf Steuersenkungen von 2013 an haben am Wochenende die drei Parteichefs von CDU, CSU und FDP unter sich geschlossen. Schäuble durfte nur berichten, nicht mitentscheiden.

Die FDP hat die dort formulierte gemeinsame Erklärung an diesem Mittwoch auch noch vom Kabinett absegnen lassen, um sie quasi gerichtsfest zu machen. Ein ungewöhnlicher Vorgang. Im Kabinett werden Gesetzentwürfe verabschiedet und Berichte zu Kenntnis genommen. Absichtserklärungen gehören dort eher nicht hin.

Und schon gibt es unterschiedliche Interpretationen, was dort eigentlich geschieht. FDP-Generalsekretär Christian Lindner spricht von einem "Beschluss", der im Kabinett gefällt werden soll. Dabei steht bisher nur das Datum für Steuersenkungen. Am 1. Januar 2013 sollen sie kommen. Volumen und Systematik sind völlig unklar. Darüber soll im Herbst entschieden werden, wenn die neueste Steuerschätzung vorliegt.

Die FDP will den Kurs gegen alle Widerstände absichern. In der Union aber stehen viele auf Schäubles Seite. Alle voran die Länderchefs der CDU, die die Debatte wahlweise für "irre" halten, mit einem Nein im Bundesrat drohen oder beim besten Willen keine Spielräume erkennen könne.

In der Absicht, die Landesfürsten zu beruhigen, knüpft Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier Steuersenkungen an drei Bedingungen: Die Konjunktur muss erkennbar auf Wachstumskurs bleiben, die Schuldenbremse darf nicht zur Disposition stehen. Und sie müssen "seriös" finanziert sein. Was in der Konsequenz bedeuten würde, dass der Bund dafür keine neuen Schulden aufnehmen dürfte.

Wie das alles zugleich gehen soll, angesichts der von Schäuble identifizierten milliardenschweren Haushaltsrisiken, bleibt im Dunkeln. FDP-Parteichef Rösler jedenfalls will sich um die Gegenfinanzierung erst mal keine Gedanken machen, weil ja die Steuereinahmen sprudeln. Damit seien die Steuersenkungen praktisch schon gegenfinanziert.

Auf der Pressekonferenz an diesem Mittwoch macht Schäuble deutlich, dass er das nicht so sieht - auch wenn die Agenturen melden: "Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble trägt die von der Koalition angepeilten Steuerentlastungen grundsätzlich mit".

Schäuble sagt aber auch, dass Union und FDP keine Entscheidungen getroffen hätten. Abgesehen davon hätten die Bundesländer weder Interesse an der Förderung der Inflation noch an der Steigerung der Zinsbelastung.

Geplant sei lediglich, die kalte Progression zu beseitigen. "Die Vermeidung von Steuermehreinnahmen, die aus progressionsbedingter Inflation entsteht, ist ja in diesem Sinne keine Verringerung der Steuereinnahmen, sondern der Verzicht auf nichtgewollte Steuermehreinnahmen", so der Finanzminister.

Am Ende könnte es für die FDP mit etwas Glück auf eine minimale Steuerentlastung von weit unter zehn Milliarden Euro hinauslaufen - was de facto eine Mogelpackung wäre. Der Einzelne würde davon nämlich kaum etwas im Geldbeutel spüren. Die FDP aber will diesen Erfolg. Unbedingt. Und wenn er noch so klein ist.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat da einen schlichten Tipp für die Liberalen: "Die FDP sollte sich andere Themen suchen, um ihre Umfragewerte zu verbessern." Schäuble hätte das nicht besser formulieren können.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1116527
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.