Süddeutsche Zeitung

SPD:Bereit machen für Kanzlerjahre

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Olaf Scholz ist am Ziel. Und die SPD? Bei ihrem Parteitag will sie sich wappnen für den Realitätstest im Bund wie bei vier Landtagswahlen - und alles besser machen als nach Schröders Triumph 1998.

Von Mike Szymanski, Berlin

Nach der Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler am Mittwoch nimmt die SPD Phase zwei für ihr Projekt "Sozialdemokratisches Jahrzehnt" in Angriff. Noch-Generalsekretär Lars Klingbeil hat dafür in den vergangenen Tagen eine prägnante Formel gefunden: "Ein Wahlsieg reicht mir nicht." Der Satz ist tatsächlich nicht nur so dahingesagt in diesen Tagen des Taumels. Ein Blick in den Wahlkalender genügt, und man ahnt, was Klingbeil antreibt.

In der ersten Jahreshälfte 2022 wird im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen gewählt, im Herbst dann in Niedersachsen. Bis auf letzteres Bundesland, wo die SPD mit Stephan Weil schon den Ministerpräsidenten stellt, gibt es für die SPD etwas zu holen: Im Saarland ist die Partei Juniorpartner an der Seite der CDU, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen aber sind die Sozialdemokraten in der Opposition.

Es sah lange so aus, dass sich daran so schnell auch nichts ändert. Aber der Wahlsieg im Bund, Scholz' Kanzlerschaft allein, beides entfaltet bereits eine Sogwirkung, die manche Träume gar nicht mehr so kühn erscheinen lassen. In allen drei Ländern hat sich die SPD in Umfragen an die Spitze geschoben. 2022 könnte also auch auf Landesebene wieder was gehen für die Partei. Wenn die SPD an diesem Samstag also zum Parteitag zusammenkommt, geht es um sehr viel mehr, als Scholz zu feiern, auch wenn es das erste Mal seit 16 Jahren sein wird, dass dort wieder ein SPD-Kanzler spricht.

Nach dem Wahlsieg 1998 machte die SPD schwere Fehler

Klingbeil, der am Samstag vom Generalsekretär zum Co-Parteivorsitzenden aufsteigen soll, erinnert in diesen Tagen auffallend oft an die Monate nach dem Wahlsieg 1998. Rot-Grün hatte die Union an der Macht abgelöst. Gerhard Schröders Bündnis war aber bald Opfer der Selbstgefälligkeit geworden, so jedenfalls sieht Klingbeil die Vergangenheit.

Im Jahr nach der Wahl 1998 hatte die SPD Fehler gemacht: Der damalige Parteivorsitzende Oskar Lafontaine und Kanzler Schröder arbeiteten munter gegeneinander, bis der Vorsitzende schließlich hinwarf. Hinzu kamen handwerkliche Schnitzer an anderer Stelle, etwa bei der Regelung der damals neuen 630-Mark-Jobs, mehrere Male musste nachgebessert werden. Der Opposition spielte das in die Hände. Die Debatte über ein neues Staatsbürgerschaftsrecht und den Doppelpass nutzte die Union, um ihre Klientel per Unterschriftenaktion zu mobilisieren.

Der Schwung, der vom Regierungswechsel ausging, wich schnell einer Enttäuschung darüber, was folgte. Schon die erste Landtagswahl danach ging in Hessen 1999 krachend verloren, und es blieb nicht bei dieser Niederlage.

Einer, der den Fehlstart damals mitverfolgt hat, war Olaf Scholz, der 1998 neu in den Bundestag kam. Der Erfolg seiner Kanzlerschaft, das hat er damals gelernt, hängt auch davon ab, wie sich die Partei hinter ihm aufstellt und was die SPD sich für die ersten Monate vornimmt. Scholz, so viel ist aus der Partei zu vernehmen, will jedenfalls nicht durch Übereifrigkeit und Unprofessionalität enttäuschen.

Was die Parteiführung angeht, läuft es in seinem Sinne, weitgehend zumindest: Mit Lars Klingbeil rückt am Samstag, sofern es nicht noch Überraschungen auf dem Parteitag gibt, einer seiner Vertrauten nach. Er folgt auf Norbert Walter-Borjans, bislang Co-Chef neben Saskia Esken, der Platz für Jüngere machen will. Der 69-Jährige hatte zwischen den Lagern moderiert. Diese Rolle muss nun Klingbeil einnehmen. Der 43-Jährige hatte schon zugesichert, Kanzler Scholz den Rücken freihalten zu wollen.

Komplizierter für Scholz dürfte es mit der Beförderung von Kevin Kühnert werden, der 32-Jährige soll Generalsekretär werden. Kühnert hatte 2019, als Chef der Jusos, den Nachwuchsverband der SPD gegen Scholz in Stellung gebracht und damit verhindert, dass dieser Parteichef wird. Ein einstiger Scholz-Gegner bekommt von Samstag an also die ganz große Bühne. Kann das gut gehen? Das werden die nächsten Monate zeigen.

Aber hinter Kühnerts Berufung steckt ein Plan: Mit ihm an führender Position sollen sich jene weiter angemessen repräsentiert fühlen, die sich nicht damit begnügen wollen, wenn SPD-Politik künftig nur noch im Kanzleramt gemacht würde. Der Wahlerfolg im Bund war nur deshalb möglich, weil am Ende alle die Kampagne unterstützen, auch jene, die sich nicht zu den Scholz-Fans zählen. Dieser Frieden hat seinen Preis.

Die Partei befindet sich im Umbruch. Die Hälfte der Bundestagsabgeordneten ist neu im Parlament, ein Viertel unter 35. Kühnert soll auch für eine neue, eine junge SPD stehen.

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