Süddeutsche Zeitung

Vorstandsklausur der SPD:Warten auf den Wumms

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Die SPD hat einen Kandidaten für die Bundestagswahl, eine Strategie - und ausnahmsweise streitet sie auch nicht darüber. Aber warum schlägt sich das in den Umfragen nicht nieder?

Von Mike Szymanski, Berlin

Es waren alles andere als gute Nachrichten, die in den vergangenen Tagen bei den Strategen im Willy-Brandt-Haus eintrafen: Im einstigen SPD-Kernland Nordrhein-Westfalen kamen die Sozialdemokraten jüngst in einer Umfrage auf nur noch 17 Prozent. Nordrhein-Westfalen ist der mächtigste Landesverband, ein Viertel aller Genossen hat dort seine Heimat. Wenn der Plan von Kanzlerkandidat Olaf Scholz aufgehen soll, seine SPD bei der Bundestagswahl in acht Monaten an die Spitze der nächsten Regierung zu führen, dann wird das ohne starke Genossen in NRW nicht gehen. In Baden-Württemberg, wo im März gewählt wird, waren es kürzlich nur noch zehn Prozent in einer Umfrage. In Thüringen: nur noch sieben Prozent - obwohl die SPD dort mitregiert.

Besser sieht es in den Ländern aus, dort, wo die SPD beliebte Regierungschefs stellt. In Rheinland-Pfalz etwa führt Malu Dreyer immerhin eine 30-Prozent-Partei als Spitzenkandidatin in die Landtagswahl im März, so sah es in den jüngsten Umfragen aus. Aber die CDU lag zuletzt noch knapp vor der SPD. In Mecklenburg-Vorpommern liefern sich SPD und CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Aber Manuela Schwesig als Regierungschefin wird gemocht; die SPD wird erkennbar wieder stärker.

Was sich daraus ableiten lässt?

Eine sympathische, starke Führungsfigur zieht also immer noch. Nur, was heißt das dann für die Bundespartei? Die hat Olaf Scholz schon im August zum Kanzlerkandidaten gemacht. Aber die SPD profitiert bis heute nicht wirklich davon.

Neben der Union sind die Grünen der Hauptgegner

Es sind Fragen wie diese, die die SPD begleiten, als der Parteivorstand am Sonntagnachmittag digital zur zweitägigen Klausur zusammenkommt. Auf ihrem Weg zur Bundestagswahl will die Partei Grundzüge ihres Wahlprogramms festzurren.

Olaf Scholz hat sogenannte "Zukunftsmissionen" definiert, ein etwas umständliches Wort, eigentlich meint er seinen Plan für das neue Jahrzehnt, an dessen Beginn Deutschland "an einem Scheideweg" stehe, wie es in einer Vorlage für die Parteikollegen heißt.

Spätestens 2050 soll "klimaneutral" gewirtschaftet werden. Scholz sagt, dafür müsse man die "größte ökonomische und technologische Revolution in Deutschland zustande bringen". Von einem Jahrzehnt der erneuerbaren Energien sprechen die Sozialdemokraten. Und so stellen sie es sich vor: "Öffentliche Gebäude, Schulen und Supermärkte sind solarbetrieben." So steht es in den "Leitgedanken zum Regierungsprogramm". Weiter heißt es: "Und wir brauchen einen neuen sozial-ökologischen Gesellschaftsvertrag, der dafür sorgt, dass im Wandel niemand abgehängt wird."

Als Gegner im Wahlkampf hat die SPD die Union ausgemacht. Aber die Grünen sollen auch wissen, dass die SPD ihnen das Thema Klimaschutz nicht überlässt. Außerdem benennt die SPD die Mobilität, Digitalisierung und eine starke Gesundheitsversorgung als große Zukunftsaufgaben. BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller und die Wirtschaftsweise Veronika Grimm gehören zu den Gästen, die am Sonntag mitdiskutieren. Am Montag soll es um die Kampagnenplanung für die nächsten Monate geben, denn gerade aus den Ländern, in denen Landtagswahlen anstehen, kommt der Wunsch nach mehr Unterstützung aus Berlin.

Vor allem die Union profitiert vom Corona-Management

Andreas Stoch, SPD-Landeschef in Baden-Württemberg, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Ich wünsche mir, dass die SPD noch deutlicher zeigt, dass sie die treibende Kraft in der Bundesregierung ist."

Ob es so kommt? Scholz sagt, Wahlkampf soll die Arbeit der Regierungskoalition nicht beeinträchtigen. "Wir sind Regierung. Wir machen unsere Arbeit bis zum letzten Tag." Niemals werde diese Aufgabe hinter irgendeiner anderen zurückstehen.

Im Moment ist es so, dass allein die Union vom guten Corona-Management in der ersten Phase der Pandemie profitiert. Die Probleme beim Impfstart seit Dezember haben bislang laut Umfragen nicht dazu geführt, dass die Union in der Gunst der Wähler erkennbar verliert. In der SPD zeigen sich Führungskräfte regelrecht fassungslos darüber, dass weder die Arbeit von Scholz als Finanzminister, der in der Krise Milliarden mobilisiert, noch das Wirken von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit dem Kurzarbeitergeld wirklich einzahlt bei den Sozialdemokraten. Es macht sich mittlerweile ein gewisses Gefühl der Hilflosigkeit breit.

Das "Vorsitzenden-Mobbing" hat aufgehört

Im Wahlkampf läuft dieses Mal einiges anders als in früheren Kampagnen: Die Genossen haben früh und zur Abwechslung mal ohne Krach ihren Kanzlerkandidaten gekürt. Das "Vorsitzenden-Mobbing" habe aufgehört, wie es eine Person aus der Führung beschreibt. Einen Chef nach dem anderen hatte die Partei zuvor verschlissen.

Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als Doppelspitze und Scholz vermeiden es, Konflikte auszutragen. In der Frage nach Kampfdrohnen für die Bundeswehr soll es lieber jetzt keine Entscheidung geben als eine, die der Partei wehtun könnte. Und Esken, einst eine Scholz-Gegnerin, nennt ihn, Scholz, nun, "den besten Mann", um das Land in die Zukunft zu führen.

Für die Gefühlswelt der Genossen ist das schon eine große Sache: kein Streit. Auch das Programm nimmt Konturen an. Als Scholz von einem Journalisten gefragt wird, wann die Aufholjagd beginnt, sagt er: "Wir haben damit begonnen und deshalb sind wir mittendrin." Er ist schon wieder weiter als seine Partei.

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