Süddeutsche Zeitung

SPD-Parteikonvent:Frust auf Vorrat

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Von Christoph Hickmann

Sigmar Gabriel hat schon das eine oder andere Mal in den politischen Abgrund geblickt. Das miserable Ergebnis der Bundestagswahl 2013 hätte ihn sein Amt als SPD-Chef kosten können. Und wäre das anschließende Mitgliedervotum über die große Koalition negativ ausgefallen, hätte dies genauso das Ende bedeutet. Am Samstag nun wird es wieder mal so weit sein, Gabriels Zukunft als Parteichef liegt bei den Delegierten des Parteikonvents, der über die Vorratsdatenspeicherung abstimmt: Lehnen sie das Vorhaben ab, müsste Gabriel nach den üblichen Regeln des politischen Betriebs eigentlich gehen.

Zwar wird im Willy-Brandt-Haus versichert, mit Rücktritt für den Fall der Ablehnung habe Gabriel nie gedroht. Doch am Dienstagabend deutete er bei einem internen Treffen in der Parteizentrale an, was aus seiner Sicht auf dem Spiel steht: Diejenigen, die dagegen stimmten, müssten sich darüber im Klaren sein, wofür sie dann auch Verantwortung trügen, sagte Gabriel laut Teilnehmern sinngemäß bei einem Treffen der Landes- und Bezirksvorsitzenden.

Sie trügen dann auch Verantwortung dafür, wie es weitergehe. Widerspruch kam von Katrin Budde, der SPD-Landeschefin von Sachsen-Anhalt: Man solle jetzt keinen Druck auf die Kritiker machen, das bringe gar nichts. Doch Gabriel blieb bei seiner Position. Am Vormittag hatte Generalsekretärin Yasmin Fahimi bereits gewarnt, die Regierungsfähigkeit der SPD stehe auf dem Spiel.

Ein Kompromiss mit dem Koalitionspartner

Gabriel hat sein politisches Schicksal mit einem Vorhaben verknüpft, das der SPD nicht einmal Wählerstimmen bringen dürfte. Doch die Sache ist ihm offenbar ein Anliegen. Als Parteivize Ralf Stegner am Dienstagabend forderte, man müsse deutlich machen, dass die Union die Vorratsdatenspeicherung gewollt habe, es sich also um einen Kompromiss mit dem Koalitionspartner handele, hielt Gabriel dagegen: Die SPD dürfe sich nicht kleinmachen. Die Debatte sei "von der Realität geprägt" - nicht von der Union.

Doch wie geht die Sache aus? Am Dienstagabend fragte einer aus der Runde, ob sichergestellt sei, dass die Delegierten "konstruktiv vorbereitet" würden - zu Deutsch: eingeschworen. Da berichtete der Vertreter des rheinland-pfälzischen Landesverbands, bei ihm seien etwa zwei Drittel für die Vorratsdatenspeicherung, ein Drittel sei dagegen. Aus Niedersachsen hieß es, hier stehe es etwa halbe-halbe. Und der Landesverband Nordrhein-Westfalen, der 48 von 200 Delegierten stellt (hinzu kommt der ebenfalls stimmberechtigte Parteivorstand, was bis zu 235 stimmberechtigte Mitglieder ergibt)? Im September hat die NRW-SPD einen Beschluss gegen die Datenspeicherung gefasst. Trotzdem bleibt es den NRW-Delegierten überlassen, wie sie abstimmen.

Am Ende dürfte es auf den Auftritt von Heiko Maas ankommen, ursprünglich ein Gegner der Vorratsdatenspeicherung - und darauf, wie sich Gabriel verhält. Der hat Maas zu diesem Gesetzentwurf gedrängt, klopfte zuletzt aber noch Sprüche auf Kosten des Justizministers. So auch am Dienstagabend, als er Maas daran erinnerte, dass die SPD sich bereits 2011 für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen habe: Er habe, sagte Gabriel, dem Heiko aufgetragen, in Zukunft mal dran zu denken, sich die Parteitagsbeschlüsse anzusehen.

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SZ vom 18.06.2015
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