Süddeutsche Zeitung

Extremtemperaturen:Die zweite Hitzewelle erfasst Spanien

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Vögel fallen wegen Hitzschlag vom Himmel, für Ältere und Kranke steigt das Risiko - und am Wochenende werden bis zu 45 Grad Celsius erwartet. Wie Spanien unter der Hitze leidet.

Von Karin Janker, Madrid

Wenn in Klimaprognosen die Rede davon ist, dass in Deutschland bald "Temperaturen wie in Spanien" herrschen könnten, so mag das zunächst wenig bedenklich klingen. Spanien - das ist doch dort, wo man im letzten Urlaub bis spätabends draußen bei einem Krug Sangría zusammensaß, die Füße im warmen Sand. Na gut, man hatte sich tagsüber einen ordentlichen Sonnenbrand geholt, aber sonst?

Nun, da liegt ein Missverständnis vor. Spanische Verhältnisse im Zusammenhang mit der Erderhitzung bedeuten nicht ganzjährige Urlaubsstimmung, sondern eher Szenen wie diese: Im südspanischen Sevilla fielen Tausende Vögel vom Himmel, Mauersegler, gestorben an Hitzschlag. In der Provinz Cáceres im Südwesten brennt das Biosphärenreservat Monfragüe, laut örtlichen Behörden droht sein vollständiges Verschwinden. In mehr als der Hälfte der Provinzen auf dem spanischen Festland liegt in den kommenden Tagen das Sterberisiko für Ältere und Geschwächte um mehr als 60 Prozent höher als sonst.

Für Spanien ist es in diesem Jahr schon die zweite Hitzewelle. Die erste, unerwartet frühe Mitte Juni hatte bereits 370 temperaturbedingte Todesfälle zur Folge. Dabei geht die Zahl der Menschen, die wegen Hitze sterben, seit einigen Jahren zurück. Nach Recherchen des Klimaforschers Hicham Achebak vom Institut für Globale Gesundheit in Barcelona starben im heißen Sommer des Jahres 2003 in Spanien 12 804 Menschen an den Folgen der Hitze. Im vorigen Jahr, in dem ebenfalls Rekordtemperaturen gemessen wurden, gab es noch 1298 Hitzetote.

Grund dafür sei, so der Wissenschaftler laut der Zeitung El Mundo, dass Häuser immer besser gedämmt würden und immer mehr Menschen Zugang zu Klimaanlagen hätten. Wer allerdings glaubt, dass in Spanien jeder Haushalt mit einer Klimaanlage ausgerüstet ist, der irrt: Gerade einmal 30 Prozent der Wohnungen haben laut einer Erhebung des Immobilienportals Idealista die in diesen Tagen so dringend ersehnten Geräte installiert. Kein Wunder also, dass Ventilatoren vielerorts ausverkauft sind.

Noch immer gilt in 16 der 17 autonomen Regionen Spaniens Hitzealarm, einzig die Kanaren im Atlantik bleiben verschont. Im Süden und Westen werden an diesem Wochenende Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius im Schatten erwartet. Dem spanischen Wetterdienst zufolge dürfte die derzeitige Hitzewelle als eine der längsten seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1975 in die Geschichte eingehen. Ein leichter Temperaturrückgang ist erst für Ende kommender Woche zu erwarten.

Und selbst dann dürfte es auf der Iberischen Halbinsel noch eine ganze Weile trocken bleiben, der Sommer beginnt gerade erst. Die Folge sind Ernteausfälle und zahlreiche Waldbrände, die in Spanien wie auch in Portugal toben. "Das ganze Land brennt", titelte die portugiesische Zeitung Jornal de Notícias. Anstelle von Landkarten mit Corona-Ausbrüchen zeigen die Medien jetzt Karten mit aktiven Brandherden. Die Wasserreserven auf der Iberischen Halbinsel sind nach einem ungewöhnlich trockenen Winter weiter am Schwinden, aus manchen Wasserhähnen kommt wegen der Knappheit nur noch braune Brühe - so ist es bei Extremtemperaturen in Spanien.

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