Süddeutsche Zeitung

Diplomatie:Wie der Nato-Russland-Rat wieder einen Sinn bekommen kann

Lesezeit: 2 min

Es ist gut, dass die beide Seiten wieder miteinander reden. Doch Nato und Russland trennt ein tiefer inhaltlicher Graben.

Kommentar von Daniel Brössler

Texte aus der Vergangenheit können, wenn sie vom Verhältnis der Nato und Russlands handeln, auf zwei Weisen gelesen werden. Die schöne Formel aus der Grundakte von 1997, wonach die Nato und Russland keine Gegner seien, wirkt, durch die Brille von 2016 gesehen, wahlweise unglaublich veraltet oder ungeheuer futuristisch. In jedem Fall hat sie wenig bis nichts mit der Gegenwart zu tun. Wenn nun an diesem Mittwoch erstmals seit 2014 wieder der Nato-Russland-Rat tagt, gilt dasselbe. Er tut es nicht in jener Welt, in der beide Seiten einst Vertrauen und Zusammenarbeit gelobten. Das macht es nicht falsch, sich zu treffen. Falsch wären nur überhöhte Erwartungen.

Häufig ist der Vorwurf zu hören, zwischen der Allianz und Moskau fehle es an Dialog. Darüber kann man streiten. Russlands Präsident Wladimir Putin kann sich über einen Mangel an Ansprache nicht beklagen. Mit den Spitzen der westlichen Welt von Barack Obama bis Angela Merkel ist er in stetem Kontakt. Gesprochen wird über die Ukraine genauso wie über Syrien. Was den Westen und Russland trennt, ist nicht Sprachlosigkeit, sondern ein tiefer inhaltlicher Graben: Mit der Annexion der Krim, der Gewalt in der Ukraine und vielen anderen Entscheidungen hat Putin sein Land in Gegnerschaft zum Westen positioniert. Er hat dies nicht versehentlich getan und wohl auch nicht nur auf Zeit. Der Bruch ist Realität und wird auch durch ein gutes Gespräch nicht verschwinden.

Dieser Eindruck sollte also erst gar nicht erweckt werden. Wer die Sitzung des Rates als Anfang vom Ende der frostigen Beziehungen deutet, wird in Russland den Glauben daran stärken, dass Putin alles richtig gemacht hat und dem Westen gar keine andere Wahl bleibt, als sich abzufinden. Es wäre dies bestimmt kein Mittel, künftigen Aggressionen vorzubeugen. Dennoch könnte dem Nato-Russland-Rat ein neuer Sinn gegeben werden.

Der Nato-Russland-Rat wird keine Klarheit über Putins Absichten bringen

In seiner ursprünglichen Funktion schuf er den Rahmen für eine oft schwierige, aber doch existente Partnerschaft. Es gab bis 2014 viele Bereiche der Zusammenarbeit, etwa in Afghanistan oder im Kampf gegen Terrorismus. Auch das Ziel der Abrüstung in bestimmten Bereichen war ein gemeinsames Projekt.

Das ist Vergangenheit. In der Gegenwart kann der Zweck eines wiederbelebten Nato-Russland- Rates nur darin bestehen, die Gefahren zu begrenzen, die aus der nicht existenten Partnerschaft resultieren. Es ist ja nicht so, als kommunizierten beide Seiten nicht miteinander. Jede Übung, jedes waghalsige Flugmanöver, jede Truppenverlegung sendet eine Botschaft. Jahre nach dem Kalten Krieg ist diese Sprache zurück - mit der Gefahr, dass es zu Zwischenfällen und Missverständnissen kommt. Gelänge es, sich auf mehr Beobachter und mehr Transparenz zu verständigen, könnte das die Risiken vermindern. Darüber sollte im Nato-Russland-Rat gesprochen werden.

Ließe sich Putin auf ein stärkeres Maß an Berechenbarkeit ein, gäbe er freilich eine lieb gewonnene Waffe aus der Hand. Im mittlerweile ideologisch aufgeladenen Kampf gegen die westlichen Gesellschaften setzt er auf Bündnisse mit Links- und Rechtspopulisten ebenso wie auf das Mittel der Verunsicherung. Es ist nach Lage der Dinge also gar nicht in Putins Sinne, Klarheit über seine Absichten zu verschaffen. Weshalb Russlands Vertreter erst einmal nicht viel mehr in den Rat mitbringen dürfte als Vorwürfe.

Den Versuch ist es trotzdem wert. Wenn es in Moskau doch eine Bereitschaft geben sollte, die Lage ein bisschen weniger gefährlich zu machen, so sollte das nicht an der Nato scheitern. Außerdem gibt es keinen Grund, ein Forum abzuschaffen, das eines Tages wieder zu seiner alten Bedeutung zurückfinden könnte. Selbst dann, wenn das in ferner Zukunft wäre.

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Quelle:
SZ vom 20.04.2016
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