Süddeutsche Zeitung

Schwarz-Gelb:In der Koalition kracht es - schon wieder

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Von Friede zwischen Union und FDP kann keine Rede sein: Während die CDU-Länder sparen wollen, will Minister Rösler die Kopfpauschale.

C. Hulverscheidt und S. Braun

Union und FDP droht nach der Verabschiedung des ersten Steuerpakets erneut ein Konflikt. Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) stellte am Freitag die Einführung eines einkommensunabhängigen Krankenkassenbeitrags sowie die große Steuerreform in Frage. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) sagte jedoch im Interview mit der SZ, die Kopfpauschale komme.

Wulff hatte schon vor Tagen CDU-intern erklärt, er werde teuren Projekten wie den jetzigen Steuersenkungen nur noch "dieses eine Mal" im Bundesrat zustimmen. Am Freitag verlangte er nun vom Bund "eine Exit-Strategie aus der Politik des Geldausgebens".

Dem Handelsblatt sagte er, "Steuerzuschüsse in zweistelliger Milliardenhöhe beim Sozialausgleich im Rahmen der Gesundheitspolitik" seien genauso kritisch zu prüfen " wie die große Steuerreform für das Jahr 2011". Wulff erinnerte daran, dass laut Koalitionsvertrag nur Vorhaben umgesetzt werden könnten, deren Finanzierung gesichert sei. Ohne diese Klausel hätten dem Vertrag "viele nicht zugestimmt".

Der scheidende baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger verwies darauf, dass der Bundeshaushalt schon heute ein strukturelles Defizit von gut 40 Milliarden Euro aufweise - Tendenz stark steigend. Dieser Fehlbetrag müsse bis 2016 auf etwa zehn Milliarden Euro sinken. Weitere Steuernachlässe kämen da "schlicht oben drauf. Das macht die ganze Dimension deutlich", sagte Oettinger der Süddeutschen Zeitung.

Große Probleme hätten vor allem die Kommunen, die mehr Geld für die Bildung ausgeben, zugleich aber auf Steuereinnahmen verzichten sollten. Die Folgen seien beinahe zwangsläufig sinkende Leistungen oder höhere Gebühren. Auch aus der Unionsbundestagsfraktion verlautete, der jüngste Steuerstreit sei nur "ein laues Lüftchen im Vergleich zu dem, was uns bei der großen Steuerreform und der Gesundheitsreform ins Haus steht".

Milliarden für das Gesundheitswesen

Die FDP bekräftigte dagegen, dass die Koalition sowohl an der Steuer- als auch an der Gesundheitsreform festhalten werde. Rösler sagte der SZ, der Koalitionsvertrag spreche von einem "einkommensunabhängigen Krankenkassenbeitrag", der auch eingeführt werde. Angesichts der hohen Kosten für den steuerlichen Sozialausgleich, die sich je nach Ausgestaltung auf 20 bis 40 Milliarden Euro belaufen, müsse die Reform allerdings schrittweise umgesetzt werden. Finanziert werden soll der Systemwechsel Rösler zufolge durch ein höheres Wirtschaftswachstum und steigende Staatseinnahmen.

Der Bundestag hatte zuvor das Sofortprogramm der neuen Regierung, das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, verabschiedet. Es enthält Steuersenkungen für Familien, Firmen, Erben und Hoteliers sowie mehr Kindergeld. Das Paket kostet 8,5 Milliarden Euro, die auf Pump finanziert werden.

Die Opposition sprach von einem "Schuldenbeschleunigungs-" und einem "Klientelinteressenbedienungsgesetz". Im Mittelpunkt der Kritik stand die auch in der Fachwelt heftig gescholtene Einführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Hotels.

Ob in zwei Wochen auch der Bundesrat dem Gesetz zustimmen wird, ist unklar. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) benötigt die Stimmen aller schwarz-gelben Landesregierungen, hat aber vor allem den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen noch nicht überzeugt. Er denkt, die Steuerausfälle für sein Land seien zu hoch. Auch ein Essen Merkels mit Carstensen am Donnerstagabend im Kanzleramt brachte kein Ergebnis.

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SZ vom 05.12.2009
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