Süddeutsche Zeitung

Sarkozy und die Briten:"Sarko Bonaparte"

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Frankreichs Präsident erzürnt die Briten mit triumphierenden Äußerungen über seinen EU-Kommissar - und jahrhundertealte Rivalitäten brechen wieder aus.

Stefan Ulrich

Es ist keine zwei Jahre her, da bahnte sich zwischen Frankreich und Großbritannien eine wunderbare Freundschaft an. Nicolas Sarkozy reiste im März 2008 mit seiner Gattin über den Ärmelkanal. Während Carla Bruni London bezirzte, umwarb der Präsident die Briten in deren Parlament. Er lobte sie als Erfinder der Demokratie, sprach von "ewiger Dankbarkeit" und einer "Entente amicale". Die Analysten schrieben, Sarkozy wolle die deutsch-französische Sonderbeziehung auflockern durch ein Bündnis mit Großbritannien. Vorbei erschienen die Zeiten, als Jacques Chirac lästerte, man könne Leuten nicht trauen, die so schlecht kochten.

Nun ist aus der Entente amicale eine Entente fatale geworden. London ist wütend auf den Franzosen. Premier Gordon Brown sagte einen für diesen Freitag anvisierten Besuch Sarkozys in Downing Street 10 ab, angeblich wegen "Terminschwierigkeiten". Und die konservative Wochenzeitung The Spectator schreibt: "Ob wir wollen oder nicht: Es beginnt eine Schlacht um London."

Ausgelöst hat den Ärger Sarkozy. Denn es entspricht nicht seinem Wesen, einen Erfolg still zu genießen. So frohlockte er in den vergangenen Tagen darüber, dass sein Landsmann Michel Barnier Binnenmarkt-Kommissar der EU wird und auch für die Kontrolle der Finanzmärkte zuständig sein wird. Brown hätte dem Franzosen diesen Bereich gern entzogen.

Doch Sarkozy setzte sich durch. Daraufhin sagte er Le Monde: "Die Engländer sind die großen Verlierer bei dieser Geschichte." Auf einer Parteiveranstaltung erklärte er, wie er das meint: "Nach all dem, was in der Finanzkrise passiert ist, ist es sehr beruhigend, dass die französischen Vorstellungen von einer Regulierung in Europa triumphieren."

Wenn die britische Presse nun über "Sarko Bonaparte" tobt, mag das zu verschmerzen sein. Gravierender ist, dass die Regierung und die Finanzmanager in London höchst alarmiert sind. Die britische Bankiersvereinigung BBA warnt, Sarkozy habe "das Vertrauen der Öffentlichkeit in die neuen Institutionen der EU erschüttert". Doch man werde sich das Finanzzentrum London nicht von den Franzosen kaputt machen lassen.

Der Streit zeigt: Zwischen Großbritannien und Frankreich bestehen Gegensätze, die sich nicht in Freundschaft auflösen lassen. Da ist zum einen eine Rivalität, die in die Zeiten des Hundertjährigen Krieges zurückreicht. Sie schafft Animositäten, die rasch aufbrechen. Zum anderen bestehen zwischen beiden Nationen handfeste Interessenunterschiede. Frankreich setzt auf eine starke Rolle des Staates in der Wirtschaft und möchte in der Folge der Weltkrise die Finanzmärkte straff kontrollieren. Großbritannien sieht sich als Hüter des freien Marktes. Es argwöhnt, die Kontinentaleuropäer wollten den Finanzplatz London dominieren und schwächen.

Mit seinen vollmundigen Worten hat Sarkozy die Europaskeptiker auf der Insel bestärkt. Barnier muss sich unter Generalverdacht fühlen. Daher versucht er, die Briten zu beruhigen. "Man braucht mir die Bedeutung der Londoner City nicht zu erklären", sagte er am Freitag. "Eine starke City ist im Interesse ganz Europas." Er selbst sei kein Ideologe, sondern Pragmatiker. Und im Übrigen "schwächt uns jede Rivalität innerhalb Europas gegenüber der Außenwelt". Ob das reicht? Die Zeitung Libération sieht schwarz: "Großbritannien ist erneut zur Insel geworden, und der Waffenstillstand ist wieder gebrochen."

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Quelle:
SZ vom 05.12.2009
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