Süddeutsche Zeitung

Rheinland-Pfalz: Finanzskandal der CDU:Verteidigung im Vorwärtsgang

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CDU oder SPD - welche ist die "Landesskandalpartei" in Rheinland-Pfalz? Die Sozialdemokraten attackieren das CDU-"Frontfräulein" Julia Klöckner wegen der Affären ihrer Partei. Die ehemalige Weinkönigin gibt sich kämpferisch.

Marc Widmann

Sie soll für einen Neuanfang stehen, so lautet der Plan: Die junge, quirlige, fotogene Julia Klöckner soll als Spitzenkandidatin der CDU in Rheinland-Pfalz schwungvoll durchs Land ziehen und den seit 16 Jahren regierenden Kurt Beck (SPD) "aus der Staatskanzlei jagen", wie es ein führender Christdemokrat formulierte. Anfangs war die Euphorie in der seit Jahren zerstrittenen CDU gewaltig, mit im Stehen dargebrachten Ovationen wurde Klöckner gefeiert wie eine Erlöserin. Vom "frischen Wind, der Rheinland-Pfalz guttut" sprach selbst die Kanzlerin.

Im Moment aber wird die Hoffnungsträgerin selbst gejagt - von den Gespenstern der Vergangenheit.

"Die CDU ist Opfer und wurde hinters Licht geführt", sagt Julia Klöckner am Dienstag der Süddeutschen Zeitung. Sie gibt sich kämpferisch, auch wenn für sie jetzt alles schwerer geworden ist: Drei Monate vor der Wahl musste ihre Partei eingestehen, dass sie den vergangenen Wahlkampf vor fünf Jahren illegal finanziert hat, dass sie Berater verbotenerweise aus der Fraktionskasse bezahlte - und dass all das Leugnen der vergangenen Jahre falsch war.

Etwas Unangenehmeres hätte Klöckner kaum passieren können, ausgerechnet jetzt, so kurz vor dem Wahltermin, da die CDU in letzten Umfragen nur zwei Prozentpunkte hinter der SPD liegt. Geht es doch bei Wahlen vor allem um Glaubwürdigkeit.

Lange hat die 38-jährige Theologin versucht, sich von den Altlasten ihrer Partei fernzuhalten, am liebsten wollte sie kein Wort darüber verlieren, nicht mit dem Schmutz der Vergangenheit in Berührung kommen. Nun, da die Fakten der Staatsanwaltschaft Mainz offenbar keinen Raum mehr für Vermutungen lassen, zeigt sich Julia Klöckner als harte Aufklärerin: "Ohne Wenn und Aber wird bei uns jetzt klar Schiff gemacht."

Jetzt äußert sie sich "empört" über Christoph Böhr, ihren Vorgänger als Spitzenkandidat. Sie kündigt an, die CDU werde die zu erwartende Strafe von bis zu 1,2 Millionen Euro akzeptieren und umgehend bezahlen. Und sie verkündet: "Wir haben die Altlasten abgearbeitet, wir müssen dafür geradestehen und nach vorne schauen." Insgeheim kann sie nur hoffen, dass die Stille der kommenden Feiertage auch ein Mäntelchen über die Machenschaften ihrer Vorgänger legt.

Klöckner hat die zerstrittene CDU vereint

Dem Wähler erzählt Klöckner gern Schauriges über Affären der SPD-Alleinregierung in Rheinland-Pfalz. Kann sie das jetzt immer noch? "Natürlich", sagt sie, "es hat sich nichts geändert bei der Landesregierung, es herrscht Rheinland-Filz, und das kostet den Steuerzahler Millionen." Sie rechnet munter vor: 400 Millionen Euro habe die Regierung für den überdimensionierten Freizeitpark am Nürburgring in den Sand gesetzt. Bei dieser Zahl schwingt mit, dass im Vergleich das Vergehen der CDU eher klein sei. Ihr Motto bleibt: Attacke.

So reiten sie nun aufeinander zu, die Parteien in Rheinland-Pfalz. Die SPD ruft Klöckners CDU zur "Landesskandalpartei" aus und fragt hämisch, was "das Frontfräulein der Union" wohl wusste von den Machenschaften ihres Vorgängers. Tatsächlich saß Klöckner damals als Beisitzerin im Landesvorstand der CDU; aber nichts spricht bislang dafür, dass sie selbst Verantwortung trägt.

Bisher hat sie etwas geschafft, an dem ihre Vorgänger scheiterten: Sie hat die seit 20 Jahren zerstrittene Landes-CDU hinter sich vereint. Man wählte sie mit umjubelten 99 Prozent, ein deutliches Zeichen. "Das Vertrauen ist da, dass ich neue Maßstäbe setze und neue Wege gehe", sagt sie. Es kann aber schnell wieder schwinden, das Vertrauen, falls sie sich in der Krise falsch verhält.

Bei allem Ärger hat die ganze Affäre nur einen Vorteil für Julia Klöckner: Sollte sie die Wahl am 27. März verlieren, gibt es nun schon ein paar Sündenböcke. Den früheren Spitzenkandidaten Böhr und seine Vertrauten.

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Quelle:
SZ vom 22.12.2010
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