Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremismus:"Wer den Staat ablehnt, kann ihm nicht dienen"

Lesezeit: 2 min

Wie Bundesinnenministerin Faeser mit ihrem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus die Feinde der Demokratie bekämpfen will.

Von Markus Balser und Constanze von Bullion, Berlin

Rechtsextremisten sollen künftig leichter entwaffnet und schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden. Zudem sollen erhebliche Geldströme, von denen rechtsextremistische Netzwerke profitieren, gezielt ausgetrocknet werden. Auch Angriffe auf Kommunalpolitikerinnen und -politiker sollen in Zukunft wirkungsvoller verhindert werden. Das sieht ein Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vor, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit den Spitzen der Sicherheitsbehörden am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Gerade angesichts der Bedrohung des Friedens in Europa durch den Angriff auf die Ukraine "müssen wir den inneren Frieden in unserem Land stärken", sagte die SPD-Politikerin.

Nach einer Serie von Anschlägen und Morden verschärft die Regierung damit die Gangart gegen Rechtsextremisten. Die Demokratie müsse die Feinde der offenen Gesellschaft klar benennen und bekämpfen, sagte Faeser. "Die Morde des NSU, das Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke und die Anschläge von Halle und Hanau haben eine neue Dimension der extremistischen Gefahr offenbart."

Im Fokus des Aktionsplans stehen zunächst die Geldströme, aus denen sich verfassungsfeindlicher Aktivitäten der rechten Szene speisen. Ohne Finanzmittel gebe es keine Propaganda, betonte Faeser. "Wir sehen, dass sich Rechtsextremisten über Konzerte, Festivals, Musikprodukte, Kampfsportveranstaltungen, E-Commerce, Szenebekleidung, Merchandising gewaltige Einnahmen verschaffen", sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang am Dienstag. Dieser Zustrom an Finanzmitteln werde nun verstärkt beobachtet. Den Behörden gehe es dabei "im Schwerpunkt um illegale Finanztransaktionen", so Haldenwang. Diese machten nach Kenntnis der Sicherheitsbehörden einen wesentlichen Anteil bei der Finanzierung rechter Aktivitäten aus.

Zudem will das Bundesinnenministerium Extremisten konsequenter als bisher entwaffnen. Mehr als 13.300 gewaltorientierte Rechtsextremisten in Deutschland sind den Behörden bekannt. Etwa 1500 nachrichtendienstlich erfasste mutmaßliche Rechtsextremisten verfügen über eine Erlaubnis für den Besitz von Waffen. "Das ist viel zu viel", sagte Verfassungsschutzpräsident Haldenwang. "Gemeinsam mit den Waffenämtern und den örtlichen Behörden werden wir für eine deutliche Reduzierung sorgen."

Angriffe auf Kommunalpolitiker verdreifacht

Bislang kommen Extremisten auch deshalb an Waffenscheine, weil Behörden zu wenige Kenntnisse über ihre Vorgeschichte sowie die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes haben. Faeser will nun ein neues Forum schaffen, über das sich Behörden und Gerichte besser austauschen können, auch über psychische Vorbelastungen und Extremismus bei Anwärtern auf einen Waffenschein.

Gegen rechte Anfeindungen und gewalttätige Angriffe besser geschützt werden sollen künftig auch Kommunalpolitikerinnen und -politiker. Die Zahl der polizeilich dokumentierten Angriffe habe sich hier in den vergangenen Jahren mehr als verdreifacht, sagte Innenministerin Faeser. "Der starke Anstieg dieser Taten zeigt eine Verrohung und eine Verachtung von Staat und Demokratie, die konsequentes Handeln erfordert." Innerhalb eines Jahres soll eine "Allianz" verschiedener Behörden Vorschläge für den besseren Schutz erarbeiten.

Aber auch im öffentlichen Dienst will Faeser entschlossener durchgreifen. "Wer den Staat ablehnt, kann ihm nicht dienen", sagte die Sozialdemokratin. Damit Rechtsextremisten schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden können und verfassungsfeindliche Aktivitäten auch dann Konsequenzen haben, wenn ein Beamtenverhältnis ruht, plant die Ministerin eine Änderung des Bundesdisziplinargesetzes. Für Bundesbehörden, die Rechtsextremisten in ihren Reihen haben, soll eine Koordinierungsstelle mit Beratungsmöglichkeiten beim Bundesamt für Verfassungsschutz eingerichtet werden. Aber auch für Menschen, die in ihrem Umfeld "eine Radikalisierung aufgrund eines wachsenden Verschwörungsglaubens" beobachten, soll es künftig Beratungsangebote geben.

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