Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremismus:Querdenker rufen zu "Hausbesuchen" bei Polizisten auf

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In der rechten Bewegung nimmt die Agitation gegen Beamte zu, Mitstreiter werden zu Attacken auf die Polizei aufgefordert. Ermittlungsbehörden und Verfassungsschützer sind alarmiert.

Von Ronen Steinke, Berlin

In Kreisen der sogenannten Querdenker-Bewegung nehmen koordinierte Anfeindungen gegen Polizeibeamte zu. Nach den Zusammenstößen zwischen Querdenkern und der Polizei bei Demonstrationen in Berlin am 1. August werden in einschlägigen Online-Foren verschiedene Fotos von eingesetzten Beamten verbreitet und geteilt. Dabei wird nicht nur dazu aufgefordert, die Identität der abgebildeten Beamten herauszufinden, um möglichst viele Strafanzeigen gegen sie zu erstatten und somit "den Apparat der Diktatur" zu "lähmen", wie es etwa in dem anonymen Szene-Kanal "Grenzenlos Leben" im Chatdienst Telegram heißt. Neuerdings kommt auch öfter eine Aufforderung zu "Hausbesuchen" hinzu.

So schreibt ein Querdenker-Aktivist im Kanal "Grenzenlos Leben", der seit Januar betrieben wird: "Viele haben vorgeschlagen, die Verbrecher außer Dienst zu Hause zu besuchen und ihnen dieselbe Behandlung angedeihen zu lassen", daneben stehen 15 Fotos von Polizeibeamten mit deren Rückennummern, gepostet am 1. und 2. August. Attacken gegen Beamte seien eine "Gute Idee!" Andere Szene-Accounts wie "Füreinandia Mainfranken" haben diesen Post geteilt. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung laufen deshalb Staatsschutz-Ermittlungen.

Trotz eines Verbots großer Demonstrationen waren am 1. August mehrere Tausend Menschen durch Berlin gezogen. Sie versammelten sich immer wieder in Gruppen in verschiedenen Teilen der Stadt, mehrfach kam es zu Auseinandersetzungen mit Polizeikräften. Mehr als 60 Polizistinnen und Polizisten seien dabei zum Teil schwer verletzt worden, bilanzierte die Polizei hinterher und sprach von einer hohen Gewaltbereitschaft mancher Demonstranten. Mehr als 500 Ermittlungsverfahren seien eingeleitet worden.

Verfassungsschützer sehen eine Gefahr für die Demokratie

Als Reaktion auf die zunehmenden Anfeindungen "insbesondere auch bei Querdenkerdemonstrationen" hat die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main am Dienstag angekündigt, dass Straftaten "zum Nachteil von Polizeibeamten, Rettungskräften, Amtsträgern und gleichgestellten Personen" konsequenter verfolgt würden. Eine sogenannte Rundverfügung an alle Staatsanwaltschaften in Hessen schreibe vor, dass Ermittlungen wegen Attacken auf Polizeibeamte "nur nach sorgfältiger Prüfung und in besonders zu begründenden Ausnahmefällen" eingestellt werden, selbst wenn die Tat geringfügig zu sein scheint.

In mehreren Bundesländern werden Querdenker-Gruppen inzwischen vom örtlichen Verfassungsschutz beobachtet, auch das Bundesamt für Verfassungsschutz spricht von einer ideologischen "Delegitimierung des Staates", die zu einer Gefahr für die Demokratie werde.

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