Süddeutsche Zeitung

Frankreichs Präsident Macron:"Wir hätten diese Versuche nicht in der Bretagne gemacht"

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Präsident Macron bekennt sich in Polynesien zu Frankreichs Schuld wegen der Atomwaffenversuche. Opferverbände reagieren dennoch verärgert.

Von Nadia Pantel, Paris

Es gibt viele Zeitzeugen, die erzählen können, wie es war in den 30 Jahren, in denen Frankreichs Militär seine Atomwaffen im Südpazifik testete. Wie nach den Explosionen Inselbewohner als Reinigungstrupps losgeschickt wurden, ohne Schutzkleidung, um die toten Meerestiere einzusammeln, die in die Luft geschleudert worden waren. Wie es von Paris gleichzeitig hieß, die Atombombe sei "sauber" und berge keine Risiken. Und wie sich die Krebserkrankungen an einem Ort häuften, der auf Postkarten aussieht wie ein Idyll.

Palmen, türkisfarbenes Meer, Blumenketten für die Gäste - und radioaktive Verseuchung für die Bewohner. 193 Mal testete Frankreich zwischen 1966 und 1996 seine Atomwaffen in Polynesien. Die Inselgruppe gehört zu Frankreich. Und ist komfortable 15 000 Kilometer Luftlinie von Paris entfernt.

Bei einem Besuch in Papeete, der Hauptstadt Französisch-Polynesiens, hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Dienstagabend (Ortszeit) nun das Leid der lokalen Bevölkerung benannt. "Wir hätten diese Versuche nicht in der Creuse oder in der Bretagne gemacht", erkannte Macron an. Frankreich habe "eine Schuld gegenüber Polynesien" auf sich geladen, so der Präsident. Zudem müssten die Entschädigungszahlungen für die Opfer der Versuche beschleunigt und die entsprechenden Anträge schneller geprüft werden, sagte Macron. Experten gehen davon aus, dass der Gesundheit von 110 000 Menschen im Südpazifik durch die Atomtests massiv geschadet wurde.

Macron versprach in seiner Rede eine Aufklärung über die genauen Abläufe und Folgen der Atomversuche. "Genau wie Sie will ich die Wahrheit und Transparenz", sagte Macron vor polynesischen Politikern, für Forscher sollen die entsprechenden Archive geöffnet werden.

Macron betont Vorzüge der zivilen Atom-Nutzung

Eine Entschuldigung sprach Macron jedoch nicht aus. Entsprechend verärgert reagierten die Opferverbände. "Die Lügen des Staates gehen weiter", hieß es unter anderem von der Organisation 193, die Menschen vertritt, die durch Frankreichs Atomtests geschädigt wurden. Vor Macrons Ankunft und auch während seines Besuches hatte es zahlreiche Demonstrationen gegeben, auf denen eine klare Entschuldigung des Präsidenten gefordert wurde. Mit einer dieser protestierenden Gruppen tauschte Macron sich am Straßenrand aus. "Ich kann von Ihnen nicht verlangen, mir zu vertrauen, nach dem man Sie so lange angelogen hat", sagte Macron. Es stimme, dass die Entschädigungsprozesse "viel zu lange" dauern.

In seiner offiziellen Ansprache klang der Präsident dann deutlich vorsichtiger. "Die Soldaten, die die Tests durchgeführt haben, haben Sie nicht angelogen, sie sind dieselben Risiken eingegangen", so Macron. Man habe die Risiken "nicht ermessen". Macron nutzte seinen Pazifik-Besuch auch, um die Vorzüge der zivilen Atomenergie zu betonen. Frankreich habe "Glück", weil seine Energieversorgung so stark auf Atomkraft basiere, dies reduziere den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase.

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