Süddeutsche Zeitung

Politik kompakt:Ramsauer verteidigt Aufbau West

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Der Verkehrsminister bleibt bei seinen Vorstoß, die Regierung im Libanon steht und die FDP steuert auf einen Streit mit Vertriebenen-Präsidentin Steinbach zu.

Ramsauer bleibt bei seinem Vorstoß

Wirbel um den "Aufbau West": Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat seinen Vorstoß für einen stärkeren Ausbau von Straßen und Schienen im Westen Deutschlands gegen heftige Kritik des Koalitionspartners FDP verteidigt. Die Liberalen warfen dem CSU-Politikervor, gezielt zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls Stimmung machen zu wollen. Ramsauer sagte dazu: "Wir werden dort auch intensiv weiterarbeiten, wo nicht alles vollendet ist. Das wird man ja wohl zum 20. Jahrestag noch sagen dürfen." Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erteilte der Idee für ein Sonderprogramm West eine Absage. "Wir müssen ganz Deutschland aufbauen. Es bringt überhaupt nichts, Ost gegen West, West gegen Ost auszuspielen", sagte Brüderle in der ARD. Ramsauer habe zwar Recht, wenn er auch im Westen Infrastrukturmaßnahmen fordere. "Aber gerade am Tag 20 Jahre Mauerfall West gegen Ost ausspielen zu wollen, das ist nicht gut."

Auch der ehemalige Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat seinen Nachfolger scharf kritisiert. Im Interview der Leipziger Volkszeitung forderte der ostdeutsche Politiker den jetzigen Ressortchef auf, die von diesem losgetretene Neiddebatte schnell zu beenden. Ramsauer liege mit seiner Forderung nach einem Aufbau West auch fachlich völlig falsch. "Natürlich muss in Ost und West gleichermaßen etwas für die Erneuerung der Autobahnen unternommen werden. Nur das ist doch bereits in den letzten vier Jahren im Bundeshaushalt auch so verankert worden", sagte Tiefensee. Er habe als Verkehrsminister für Gesamtdeutschland darauf geachtet, dass die Mittel gleichmäßig verteilt werden. "Ich befürchte ohnehin, dass ein Aufbau Bayern gemeint ist, wenn Herr Ramsauer von Aufbau West spricht", fügte der SPD-Politiker hinzu. Schon bei seinem Amtsantritt habe der neue Minister davon gesprochen, dass er insbesondere Bayern voranbringen wolle.

Koalitionsregierung im Libanon steht

Fünf Monate nach den Parlamentswahlen im Libanon steht offensichtlich die neue Regierung. Ihr gehörten 30 Minister an, kündigte der vom Westen unterstützte Ministerpräsident Saad Hariri in Beirut an. In der Regierung der nationalen Einheit repräsentierten 15 Minister das Lager der westlich orientierten Mehrheit, zehn stünden für die pro-syrische Opposition unter Führung der radikal-islamischen Hisbollah und fünf seien Gefolgsleute von Staatspräsident Michel Suleiman. Damit werde in der Geschichte des Landes eine neue Seite aufgeschlagen, sagte Hariri. Die USA und die EU hatten in den vergangenen Wochen wiederholt auf eine rasche Regierungsbildung in Beirut gedrungen. Immer wieder gab es Streit um die Zusammensetzung des Kabinetts, zeitweise herrschten chaotische Zustände im Libanon.

Streit um Vertriebenen-Präsidentin

Die schwarz-gelbe Koalition treibt auf einen handfesten Streit um die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach zu. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verschärfte seinen Konfrontationskurs zu Steinbach. Die CSU forderte ihn auf, eine Berufung Steinbachs in den Stiftungsrat der Vertriebenen-Gedenkstätte nicht zu blockieren. Westerwelle holte sich die Rückendeckung von seiner Fraktion. "Diese Stiftung heißt Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Sie dient der Versöhnung", sagte Westerwelle in Berlin. "Die Bundesregierung wird deshalb keine Entscheidung treffen, die diesem Anliegen entgegentritt." Steinbach hatte Westerwelle zuletzt zum Umdenken aufgefordert. Ihre mögliche Berufung stößt auf Widerstand der polnischen Regierung. Der Bund der Vertriebenen will in den kommenden Tagen über eine Nominierung entscheiden. Das letzte Wort hat die Regierung.

Neun Demonstranten in Chinas Provinz Xinjiang hingerichtet

Vier Monate nach den Unruhen in der westchinesischen Provinz Xinjiang sind neun Teilnehmer hingerichtet worden, gab eine Sprecherin der Provinzregierung bekannt. Es war das erste Mal nach den Unruhen vom 5. Juli, dass über die Vollstreckung von Todesstrafen gegen Teilnehmer der Unruhen informiert wurde. Bei den Opfern soll es sich um acht Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren und einen Han-Chinesen handeln.

Sicherheitskräfte hatten am 5. Juli eine friedliche Demonstration von Uiguren in Xinjiang niedergeschlagen. Bei den folgenden Auseinandersetzungen zwischen Uiguren und Han-Chinesen wurden nach Behördenangaben fast 200 Menschen getötet und mehr als 1600 verletzt worden, die meisten von ihnen waren nach offiziellen Angaben Han-Chinesen. Die chinesischen Behörden warfen "Separatisten" vor, die Unruhen geschürt zu haben, ohne dafür Beweise vorzulegen.

Weg frei für "Saarmaika"

CDU, FDP und Grüne im Saarland haben ihren Koalitionsvertrag unterzeichnet. Fast zweieinhalb Monate nach der Landtagswahl setzten CDU-Landes- und Regierungschef Peter Müller, FDP-Landeschef Christoph Hartmann und der Grünen-Vorsitzende Hubert Ulrich in der Staatskanzlei ihre Unterschriften unter das 93 Seiten starke Papier. "Wir werden jetzt konsequent an die Arbeit gehen", sagte Müller in Saarbrücken. Mit den Unterschriften ist die bundesweit erste schwarz-gelb-grüne Landesregierung so gut wie perfekt. An diesem Dienstag stellt sich Müller im Saarbrücker Landtag das dritte Mal seit 1999 der Wahl zum Ministerpräsidenten. Seine Wiederwahl gilt als sicher. Die Jamaika-Koalition verfügt über 27 der 51 Sitze im Parlament und hat damit eine Stimme mehr als nötig für die Wahl. Linke und SPD stellen 24 Abgeordnete.

IG Bau: SPD soll Rente mit 67 Absage erteilen

Gewerkschafter drängen die SPD auf eine Abkehr von der Rente mit 67. "Hier muss die SPD eine Kehrtwende machen", verlangte der Vorsitzende des IG-BAU-Bezirksverbands Berlin, Lothar Nätebusch, in einer Erklärung. Er rief die Delegierten des SPD-Bundesparteitages am kommenden Wochenende auf, der Rente mit 67 eine Absage zu erteilen. Nätebusch verwies darauf, dass schon heute kaum ein Bauarbeiter älter als 59 Jahre sei. Die SPD sei daher gut beraten, "mit ihrem Vorsitzenden Franz Müntefering auch dessen Rentenreform abzulösen". Auf dem SPD-Parteitag soll der frühere Umweltminister Sigmar Gabriel zum Nachfolger von Franz Müntefering als Parteichef gewählt werden. Einen Kurswechsel in der Rentenpolitik plant auch die neue Parteispitze jedoch bislang nicht. Allerdings sollen Härten durch das höhere Renteneintrittsalter stärker als bisher abgefedert werden.

Brown macht Fehler in Kondolenzschreiben

Peinlicher Faux-Pas: Der britische Premierminister Gordon Brown hat sich bei der Mutter eines in Afghanistan getöteten Soldaten persönlich für einen Schreibfehler in seinem Kondolenzschreiben entschuldigt. Er habe niemanden kränken wollen, erklärte Brown. Der Regierungschef hatte den Namen des getöteten Jamie Janes in dem handschriftlich verfassten Brief zunächst falsch geschrieben und seinen Fehler anschließend korrigiert. Außerdem schrieb Brown in der Anrede "Dear Mrs. James". Der Brief wurde von der Sun abgedruckt. Jacqui Janes nannte den Brief der Zeitung zufolge respektlos. "Er hatte noch nicht einmal Lust, unseren Familiennamen richtig zu schreiben. Darüber habe ich mich sehr geärgert", wurde die Mutter zitiert. Ein Sprecher des Premierministers sagte, Brown habe umgehend Kontakt zu der Mutter aufgenommen, nachdem er von dem Missgeschick erfahren habe. Jamie Janes kam im Oktober bei einer Explosion in Afghanistan ums Leben.

Karsai will bessere Beziehungen zu muslimischen Staaten

Der afghanische Präsident Hamid Karsai bemüht sich um ein besseres Verhältnis zu muslimischen Ländern wie Iran. "Afghanistan ist vor allem daran interessiert, enge brüderliche Beziehungen zu seinen Nachbarn zu haben", sagte Karsai kurz vor Beginn des Gipfels der Islamischen Staaten in Istanbul. Seinem Land sei außerdem an freiem Handel und Transit sowie guter Zusammenarbeit gelegen. "Es ist höchste Zeit, dass Afghanistan anfängt, ein Leben in Frieden und Wachstum zu führen." Karsai kam am Rande des Gipfels mit Vertretern von acht Regierungen zusammen, darunter sein iranischer Kollege Mahmud Ahmadinedschad und der türkische Gastgeber Abdullah Gül. Afghanistans wichtigste Handelswege führen über die Nachbarländer Iran und Pakistan. Karsai ist bei Verbündeten wie den USA spätestens seit seiner umstrittenen Wiederwahl zunehmend in Ungnade gefallen. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, nicht effektiv genug gegen den Aufstand der Taliban und die grassierende Korruption vorgegangen zu sein.

Obama empfängt Netanjahu

Vor dem Hintergrund wachsender Irritationen im Nahen Osten über die US-Politik wird Präsident Barack Obama am Montagabend Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu empfangen. Bei dem Gespräch im Weißen Haus soll der nach wie vor stockende Friedensprozess im Nahen Osten im Mittelpunkt stehen. In israelischen Medien war kritisiert worden, dass das Treffen vom Weißen Haus kurzfristig anberaumt und nicht wie gewohnt langfristig vorbereitet wurde. "Das ist ein weiteres Zeichen für den rauen Wind von der (Obama-)Administration", hieß es im Mittagsmagazin des israelischen Rundfunks. In Israel haben die ungewöhnlich deutlichen Forderungen Obamas nach einem bedingungslosen Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten für Beunruhigung gesorgt. Allerdings hatte erst kürzlich US-Außenministerin Hillary Clinton die Palästinenser gegen sich aufgebracht, als sie meinte, ein Stopp des Siedlungsbaus sollte keine Vorbedingung für Friedensverhandlungen sein. Dies wurde als Zugeständnis an Israel gewertet. Clinton versuchte danach, ihre Aussage zu relativieren. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte aus Frustration über den Stillstand des Nahost-Friedensprozesses angekündigt, er werde bei den im Januar geplanten Wahlen nicht wieder antreten. Er fordert einen vollständigen Siedlungsstopp als Bedingung für neue Gespräche mit Israel. Netanjahu plant bei seinem dreitägigen Besuch in Washington auch eine Rede vor der Jahresversammlung der wichtigsten jüdischen Organisationen in den USA.

Grüne kritisieren geplante Gerichtsbarkeit für Soldaten

Die von der Bundesregierung geplante zentrale Gerichtsbarkeit für Soldaten, die sich wegen möglicher Straftaten im Auslandseinsatz verantworten müssen, stößt bei Grünen und Linken auf Widerstand. Die Koalition zäume damit das Pferd vom Schwanz her auf, sagte der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der Frankfurter Rundschau. Zunächst müsse man klarstellen, nach welchem Recht die Bundeswehr in Afghanistan handele: "Ist das Polizeirecht, allgemeines Kriegsvölkerrecht oder irgendetwas dazwischen?", fragte Trittin. Danach könne man überlegen, ob man Zuständigkeiten zusammenlege. Es sei ein erschütternder Befund, wenn Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) jetzt feststelle, dass es nicht genügend Rechtssicherheit für Soldaten gebe. Auch die Linke, die den gesamten Afghanistan-Einsatz ablehnt, ist gegen eine zentrale Gerichtsbarkeit. Deren Einrichtung ist im schwarz-gelben Koalitionsvertrag vereinbart worden. Die FDP hatte am Wochenende Potsdam als Sitz dafür ins Spiel gebracht - dort sitzt das Einsatzführungskommando der Bundeswehr.

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dpa
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