Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:EU-Parlament macht Druck bei Rechtsstaatlichkeit

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Die Abgeordneten wollen die Kommission verklagen, wenn diese nicht bald neue Regeln zum Schutz des EU-Budgets gegen Länder wie Ungarn oder Polen anwendet. Pikant: Polens Premier besucht das Parlament kommende Woche.

Von Björn Finke, Brüssel

Sollte sich Mateusz Morawiecki noch irgendwelchen Illusionen hingegeben haben, dass sein Auftritt im Europaparlament einfach werden könnte, hat der Justizausschuss diese nun zerstört. Der polnische Ministerpräsident wird am Dienstag in Straßburg mit den Abgeordneten über die Rechtsstaatlichkeit in seinem Land diskutieren. Und der Justizausschuss forderte just vor dieser Debatte mit großer Mehrheit, dass die EU-Kommission bei dem Thema rasch den Druck erhöht.

Im Ausschuss sprachen sich 13 Abgeordnete dafür und nur drei dagegen aus, dass das Europaparlament die Brüsseler Behörde wegen Untätigkeit verklagen solle, falls diese nicht endlich den neuen Rechtsstaatsmechanismus für das EU-Budget anwende. Diese seit Januar gültigen Regeln erlauben es der Kommission erstmals, EU-Mittel zu kürzen oder die Auszahlung zu verzögern, wenn im Empfängerland der Rechtsstaat nicht funktioniert und die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt ist. Voraussetzung ist aber, dass die Missstände die ordnungsgemäße Verwendung des Geldes gefährden. Das wäre etwa der Fall, wenn sich Richter und Ermittler nicht mehr trauen, gegen korrupte Regierungsstellen vorzugehen.

Heißer Kandidat für die erste Anwendung dieser Regeln ist Ungarn, wo Korruption ein großes Problem ist und Ministerpräsident Viktor Orbán zunehmend autoritär regiert. In Polen ist die Unabhängigkeit der Justiz ebenfalls bedroht. Eine Nutzung des Rechtsstaatsmechanismus gegen Polen wäre aber nach Einschätzung von Kommissionsbeamten schwierig, weil es hier nicht einfach sei, nachzuweisen, dass die korrekte Mittelverwendung in Gefahr ist.

Der Streit über Rechtsstaatlichkeit zwischen Polen und der EU dürfte sich zuspitzen, nachdem das Verfassungsgericht in Warschau vergangene Woche geurteilt hat, dass EU-Recht teilweise nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar sei. Dieses Urteil ist der Anlass des Auftritts von Morawiecki und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag im Europaparlament.

Die Kommission bereitet bereits Fälle vor

Die Abgeordneten werden dort sicher wieder von der Leyen ermahnen, den Rechtsstaatsmechanismus anzuwenden. Bereits im Juni drohte Parlamentspräsident David Sassoli per Brief an die "Liebe Ursula" eine Untätigkeitsklage an. Weil es nicht voranging, stimmte nun der Rechtsausschuss für die Einreichung dieser Klage beim Europäischen Gerichtshof. Sassoli hat dafür bis 2. November Zeit.

Die Kommission betont, sie bereite schon Fälle vor. Allerdings klagten Ungarn und Polen im März gegen den Rechtsstaatsmechanismus; Anfang dieser Woche verhandelte das EU-Gericht in Luxemburg darüber. Und ein EU- Gipfel im vergangenen Dezember hatte beschlossen, dass die Kommission keine Verfahren starten werde, bis der Gerichtshof über so eine Klage befunden hat. Insofern werden sich die ungeduldigen Europaabgeordneten noch ein wenig gedulden müssen.

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