Süddeutsche Zeitung

China-Taiwan-Konflikt:Pelosi in Taipeh gelandet

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Die Sprecherin des Repräsentantenhauses ignoriert Warnungen aus China. Peking reagiert empört, Taiwans Militär erhöht seine Kampfbereitschaft.

Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ist wie erwartet zu einem Besuch in Taiwan gelandet. In mehreren Sendern wurde die Ankunft der Politikerin live übertragen. Das Flugzeug, das Pelosi nach Taipeh brachte, landete gegen 17 Uhr mitteleuropäischer Zeit auf dem Flughafen der taiwanischen Hauptstadt.

Angesichts der Drohungen aus China wegen des Besuchs der US-Demokratin hatte Taiwans Militär zuvor seine Kampfbereitschaft erhöht. Vor dem Hotel, in dem Pelosi übernachten sollte, wurden ebenfalls die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Pelosi werde in Taipeh voraussichtlich auch mit dem Vizepräsidenten des Parlaments, Tsai Chi-chang, und Abgeordneten des Legislativrates zusammentreffen, schreibt die Nachrichtenagentur dpa. Parlamentschef You Shyi-kun sei verhindert, weil er nach einer Auslandsreise in Quarantäne sei.

Pelosi ist seit einem Vierteljahrhundert die ranghöchste Repräsentantin der USA, die Taiwan besucht. 1997 hatte Pelosis republikanischer Amtsvorgänger Newt Gingrich Taiwan bereist. Im Jahr der Rückgabe der britischen Kronkolonie Hongkong an China fiel die chinesische Reaktion aber gemäßigt aus, da Gingrich vorher Peking besucht hatte.

Chinas Regierung hatte seit Wochen gegen Pelosis Reisepläne protestiert und mit Konsequenzen gedroht. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping warnte US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat: "Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen", sagte Xi.

Aus Sicht der chinesischen Führung gehört Taiwan zur Volksrepublik, obwohl es schon vor deren Gründung 1949 eigenständig regiert war. Die 23 Millionen Einwohner zählende Insel versteht sich schon lange als unabhängig. Allerdings erkennen nur wenige Staaten diese Unabhängigkeit an. Unter Hinweis auf seine "Ein-China-Doktrin" lehnt Peking offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh entschieden ab.

Xi sieht es als seine "historische" Mission an, die "Vereinigung" mit Taiwan zu erreichen und droht mit einer Eroberung. Im Westen gibt es Sorgen, dass die chinesische Regierung die Lage ausnutzen und eine Invasion versuchen könnte, weil die USA und die Nato derzeit mit der Bewältigung des Krieges in der Ukraine beschäftigt sind.

Der Machtanspruch Pekings auf die Insel geht auf die Gründungsgeschichte der Volksrepublik zurück, was die große Bedeutung für die Kommunistische Partei erklärt. Am Ende des Bürgerkrieges gegen die Kommunisten war die nationalchinesische Kuomintang-Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan geflüchtet, während die Kommunisten 1949 die Volksrepublik ausriefen. Die Insel hat wegen ihrer Lage an wirtschaftlich wichtigen Meeresstraßen geostrategische Bedeutung und wurde von US-Generälen früher auch gerne als "unsinkbarer Flugzeugträger" beschrieben.

Chinesische Kampfflugzeuge über der Taiwanstraße

Kurz vor Pelosis Besuch haben chinesische Kampfflugzeuge nach Angaben des chinesischen Staatsfernsehens den Meeresweg der Taiwanstraße überflogen. Es handelt sich demnach um Maschinen des Typs Su-35, wie der Sender CCTV berichtete. Wie viele es waren und welches Ziel sie hatten, wurde nicht mitgeteilt. Die knappe Mitteilung erfolgte kurz vor der Landung Pelosis.

Als Reaktion auf Pelosis Besuch kündigte China Manöver mit Schießübungen in sechs Meeresgebieten rund um die demokratische Inselrepublik an. Wie das Verteidigungsministerium in Peking laut Staatsfernsehen mitteilte, beginnen die Manöver bereits an diesem Dienstag und sollen bis Sonntag dauern.

Die Manöver dienten der "ernsten Abschreckung gegen die jüngste Eskalation durch negative Schritte der USA in der Taiwanfrage und eine ernste Warnung an die Unabhängigkeitskräfte, die eine Abspaltung wollen", sagte der Sprecher. Es gehe um die Abwehr "der Einmischung ausländischer Kräfte und separatistischer Versuche von Unabhängigkeitskräften in Taiwan". Mit den Übungen sollten die nationale Souveränität und territoriale Integrität China entschieden verteidigt werden, sagte der Sprecher. Staatsmedien veröffentlichten eine Karte mit sechs Meeresgebieten rund um die 23 Millionen Einwohner zählende Insel.

Das Weiße Haus warnte Peking seinerseits vor einer Eskalation. "Es gibt keinen Grund für Peking, einen möglichen Besuch, der im Einklang mit der langjährigen US-Politik steht, in eine Krise oder einen Konflikt zu verwandeln", sagte der Kommunikationsdirektor des Sicherheitsrats, John Kirby. Die USA würden sich nicht auf "Säbelrasseln" einlassen. "Gleichzeitig lassen wir uns aber auch nicht einschüchtern." Die Visite ändert nach seinen Angaben auch "nichts" an der China-Politik der USA. So unterhalten die USA keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, sondern betrachten Peking als legitimen Vertreter der Insel.

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