Süddeutsche Zeitung

Pakistan:Hort des Terrors

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Weitgehend gesetzlose Stammesgebiete: In Pakistans Grenzregion sammeln sich die Gotteskrieger. Die USA zweifeln daran, dass Pakistans Militär mit aller Macht gegen diese vorgeht.

Tobias Matern

Es ist ein überaus kompliziertes Verhältnis. Einerseits gilt Pakistan für die USA im Kampf gegen den Terrorismus als Hauptverbündeter. Andererseits als Unsicherheitsfaktor. Es sind die weitgehend gesetzlosen Stammesgebiete in der Nähe zur afghanischen Grenze, die Al-Qaida-Terroristen und der Taliban-Führung als Rückzugsgebiete dienen. Zwar hat Islamabad jüngst den Extremisten den Krieg erklärt.

Mit aller Macht bemüht sich das pakistanische Militär seit Anfang Mai nach massivem Druck Washingtons, die Taliban aus dem Swat-Tal zu vertreiben. Mehr als 1700 Extremisten will die Armee nach eigener, unabhängig nicht überprüfbarer Darstellung bei der Offensive bereits getötet haben. Der Krieg im Swat-Tal hat Pakistan einen hohen Preis abverlangt.

Mehr als zwei Millionen Menschen flohen aus der völlig unterentwickelten Region. Die Racheakte der Taliban, die das ganze Land mit Selbstmordanschlägen überziehen, haben massiv zugenommen.

Washington zweifelt aber nach wie vor, ob Islamabad den Kampf gegen die selbsternannten Gotteskrieger in letzter Konsequenz führen will. Noch immer sind hochrangige pakistanische Taliban-Anführer wie Baitullah Mehsud nicht gefasst oder getötet worden. Amerikanische Regierungsvertreter klagten jüngst in der New York Times, dass der afghanische Taliban-Chef Mullah Omar seinen engsten Führungskreis nach wie vor im pakistanischen Quetta um sich versammelt habe.

Und damit nicht genug: Pakistanische Behörden beschützten diesen Kreis sogar, schließlich wolle sich Islamabad die Taliban gewogen halten für den Tag, an dem sich der Westen aus Afghanistan zurückzieht, schrieb das Blatt. Teile des pakistanischen Militärs seien noch immer Meister des Doppelspiels, sagte ein Armee-Experte kürzlich in Islamabad: "Sie gehen abends gern mit den Taliban ins Bett und wachen morgens mit den Amerikanern auf."

Die Armee weist solche Einschätzungen zurück. Ein hochrangiger Mitarbeiter des pakistanischen Geheimdienstes ISI offenbarte aber am Mittwoch im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, wie unterschiedlich die Interessen Washingtons und Islamabads derzeit gelagert sind. Während die USA durch ihre Militäroffensive im Süden Afghanistans die Macht der Taliban einzudämmen versuchten, befürchte Pakistan genau daraus Nachteile. "Das Vorgehen kann dazu führen, dass mehr Taliban die Grenze nach Pakistan überqueren werden", sagte der Mann. Die afghanisch-pakistanische Grenze ist mehr als 2000 Kilometer lang und nicht kontrollierbar.

140.000 Soldaten setzt die pakistanische Armee nach Angaben des Geheimdienstmitarbeiters in der Grenzregion zu Afghanistan und im Swat-Tal ein. Weitere 100.000 Soldaten sind erforderlich, um die Zahl konstant zu halten. Bei einer Truppenstärke von insgesamt einer halben Million Mann könnten nicht weitere Einheiten wie von den USA gefordert in das unruhige Gebiet geschickt werden, sagte der Geheimdienstmitarbeiter.

Schließlich habe Pakistan noch einen ganz anderen Feind als die Taliban: Indien. Der Konflikt mit dem verhassten Nachbarn ist Jahrzehnte alt. Umstritten ist vor allem die Region Kaschmir. Sämtliche Friedensbemühungen sind bisher gescheitert. Lange Zeit galten für Pakistans Geheimdienst Extremisten als leicht steuerbare Kampftruppe, um Indien zu schwächen.

Nun sollten die USA in dem Konflikt vermitteln, sagte der Geheimdienstmitarbeiter: "Mehr als 60 Jahre haben wir versucht, das Problem bilateral zu lösen und haben es nicht geschafft - es wird Zeit, dass sich andere einschalten." Aussicht auf Erfolg hat diese Forderung nicht: Die indische Regierung verbittet sich jegliche Einmischung in der Kaschmir-Frage.

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Quelle:
SZ vom 23.07.2009
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