Süddeutsche Zeitung

Österreich-Kolumne:Angriffe, Ermittlungen, Anklagen

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Nach dem Streit zwischen Tirol und Wien wird es in der Innenpolitik Österreichs noch eine Weile ungemütlich bleiben.

Von Cathrin Kahlweit

Derzeit sollte ja vor allem der Weg aus Tirol heraus schwierig sein, weil man für eine Ausreise aus dem Bundesland einen negativen Corona-Test braucht. Das soll helfen, die gefährliche südafrikanische Mutante des Virus zu bekämpfen, die in Tirol zuletzt gehäuft aufgetreten war. Aber auf dem Weg zu einer Reportage für die Seite Drei ( "Skandal im Sperrbezirk. Unterwegs in Tirol, einer sehr eigenwilligen Region" SZ Plus), fühlte es sich umgekehrt an: Die Reise dauerte, wegen eines entgleisten Güterzugs, viel länger als sonst.

Zurück war es dann ganz einfach: Nette Polizisten und Soldaten überprüften im Abteil jeden Passagier, alle hatten einen negativen Test dabei, den man sich in Tirol wegen der vielen Test-Einrichtungen in wenigen Minuten besorgen kann, keiner beschwerte sich.

Empörung über Einreisebeschränkungen in Tirol

Hinter Kufstein fährt der Zug eine kurze Weile neben der Autobahn her, die sehr leer war - keine Überraschung angesichts der Einreisebeschränkungen, welche die Deutschen verhängt haben. Die Empörung darüber ist in Tirol derzeit weitaus größer als über die Regierung in Wien. Die Tiroler Tageszeitung kommentierte vor wenigen Tagen unter der Überschrift "Dilettantisch, naiv und schikanös", die Grenzschließungen seien "verstörend". Wenn "Grenzpendler von ihren Arbeitsplätzen in Bayern weggesperrt werden und die Durchreise über das Kleine und Große Deutsche Eck nach Salzburg einfach unterbunden wird, dann hat das nichts mehr mit legitimen gesundheitspolitischen Vorsichtsmaßnahmen zu tun." Das sei Willkür aus München und Berlin. Lesen Sie dazu Felix Haselsteiners Reportage "Frost, Frust und Improvisationen" (SZ Plus) vom Grenzübergang zwischen Sylvenstein- und Achensee.

Inzwischen sind zwar einige der "Knüppel", die den Tirolern ihrer Ansicht nach "zwischen die Beine geworfen" wurden, beseitigt und die Bedingungen zumindest teilweise entschärft, aber die Einreisekontrollen nach Bayern dauern noch eine Weile an. Auch die Tatsache, dass es wohl nichts mehr wird mit der Wintersaison, macht die Laune in den Tiroler Tälern und in der Landeshauptstadt Innsbruck nicht besser. Man muss schon ab und zu ganz nach oben fahren und aus der Höhe über die gigantischen Dreitausender schauen, die da in Tirol einfach so herumstehen, um den inneren Abstand zu Ärger und Enttäuschung der Betroffenen wiederzufinden.

Innere Distanz zu den Geschehnissen wäre wichtig

In Wien stehen keine Dreitausender in der Gegend herum, was das mit dem Abstand etwas schwerer macht, der Wienerwald gibt da nicht viel her. Dabei wäre die innere Distanz zu den Geschehnissen dort für viele Beteiligte noch wichtiger als in Tirol.

Die Aufregung über die Ermittlungen gegen Finanzminister Gernot Blümel (lesen Sie dazu mehr hier), die offenbar bevorstehende Anklage gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, die Forderung der Grünen nach einem neuen Transparenzgesetz und der Kontrolle verdeckter Parteispenden, die Abschaffung der dreitägigen Berichtspflicht für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die Angriffe der ÖVP auf dieselbe, das Gesicht eines kritischen PR-Beraters, den das Innenministerium als "Polit-Aktivisten" bezeichnet, auf der Webseite des Ministeriums im Zusammenhang mit einer drohenden Anzeige wegen übler Nachrede - all das sind letztlich Themen und Details für Österreich-Aficionados, Innenpolitik-Spezialistinnen und Insider.

Aber es zeigt, dass es noch eine Weile sehr ungemütlich bleiben wird in der schönen Hauptstadt des kleinen Landes. Dabei kann Wien so strahlend und so gemütlich zugleich sein. Schade, eigentlich.

Diese Kolumne erscheint am 19. Februar 2021 auch im Österreich-Newsletter .

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