Süddeutsche Zeitung

Atomstreit:USA vs. Nordkorea - das Inferno im Blick

Lesezeit: 3 min

Von Stefan Kornelius

Erst fliegen die Worte, dann fliegen die Raketen: Der außergewöhnliche verbale Schlagabtausch zwischen dem amerikanischen Präsidenten und der Führung Nordkoreas hat zu wilden Spekulationen über eine bevorstehende militärische Konfrontation geführt, die sich bis zu einem Krieg in Ostasien auswachsen könnte. Szenarien dafür gibt es mehr als genug. Jahrzehntelang haben Strategen Planspiele durchdacht. Die rhetorische Eskalation der vergangenen Tage gibt dem Undenkbaren nun plötzlich den Hauch von Realität.

Das wiederum lässt die professionellen Kriegsverhinderer aktiv werden. Nordkorea steht plötzlich im Mittelpunkt der Diplomatie, die nun die flammenden Worte zu löschen versucht.

Die letzte Steigerung hat US-Präsident Donald Trump am Freitag in seinem Sommerquartier im Golfklub von Bedminster bewirkt, als er seine bisherigen Äußerungen toppte und verkündete: "Militärische Lösungen sind nun vorbereitet, geladen und schussbereit, sollte Nordkorea unklug handeln. Hoffentlich findet Kim Jong-un einen anderen Weg." Interessant an dieser Äußerung ist vor allem ihr zweiter Teil: Trump spielt den Ball eindeutig in Kims Feld und macht klar, von wem er den nächsten Zug erwartet. Kim kann sich nun aussuchen, ob er seine Drohung wahr macht und wie angekündigt vier Mittelstreckenraketen vor der US-Insel Guam in den Pazifik schickt.

Der Präsident hat mit der Grundregel gebrochen, Pjöngjang nicht aufzuwerten

Kims vorausgegangene Drohung ist ebenfalls vielfältig interpretierbar. Erstens hat der Diktator sie nicht selbst geäußert, so wie überhaupt die jüngsten rhetorischen Geschosse aus Pjöngjang immer nur von Staatsmedien oder hohen Militärvertretern abgefeuert wurden. Zweitens fällt auf, wie präzise und damit berechenbar Nordkorea Auskunft gibt über seine Pläne, fast schon, als würde es selbst um den Abschuss seiner Flugkörper durch amerikanische Abfangraketen bitten. Gleichzeitig ist interessant, dass Nordkorea seit Monaten bereits versichert, dass es niemals über sein Nukleararsenal verhandeln werde - es sei denn, die USA änderten ihre feindselige Haltung. Seitdem wird spekuliert, was sich hinter dieser Andeutung eines Deals à la Pjöngjang verbergen könnte.

Die Feinheiten in der Wortwahl sowohl bei Trump wie bei Kim werfen zwei Fragen auf: Unterliegt die Formulierung einer bestimmten Logik, die auf Verhandlungen zielt? Und falls ja: Wenn all dies nur Auftakt für Verhandlungen sein soll, was ist dann das politische Ziel dieser Übung? Auf US-Seite galt bisher die Maxime, sich nicht dem nordkoreanischen Wunsch zu beugen und nicht zum alleinigen Verhandlungsgegner des Regimes zu werden. Das würde Pjöngjang aufwerten und die Nordkorea-Allianz zerstören, der seit Jahrzehnten eigentlich auch China und Russland angehören.

Trump hat diese Grundregel mit seiner ersten Salve gegen Kim gebrochen. Spekuliert wird, warum er das tat. Trump äußerte sich nach dem erfolgreichen Langstreckentest der Nordkoreaner vom 28. Juli und nachdem ihm seine Geheimdienste offenbar klargemacht hatten, dass die USA nun absehbar einer nordkoreanischen Nuklearbedrohung ausgesetzt seien. Ein entsprechender Bericht war anschließend der Washington Post zugespielt worden. Während die vorherige Regierung von Barack Obama für diesen Fall noch dazu neigte, die Nuklearmacht Nordkorea widerwillig zu akzeptieren und durch Abschreckung im Zaum zu halten, machte Trumps Sicherheitsberater Herbert R. McMaster vor einer Woche klar, dass Präsident Trump eine nukleare Bedrohung nicht akzeptieren werde. Alle Optionen gegen diese Bedrohung würden geprüft. McMaster wählt anders als Trump seine Worte sehr genau.

Die USA haben zwei Optionen: eine diplomatische und eine militärische

Die USA können entweder durch militärische oder durch politische Mittel versuchen, Nordkorea zur Aufgabe seines Nukleararsenals zu zwingen. Variante eins wäre die militärische Option, die allen Experten bis hin zu Verteidigungsminister James Mattis zufolge katastrophale Folgen nach sich zöge. An militärischen Eskalationsszenarien mangelt es nicht, sie enden alle beim Einsatz nuklearer Waffen. Selbst wenn es die US-Abfangsysteme in Südkorea, Japan, auf Guam und auf See schaffen sollten, alle nordkoreanischen Raketen zu zerstören, ist die Bedrohung durch konventionelle Waffen für den Verbündeten Südkorea auch nach Einschätzung des US-Militärs zu hoch. Ein Überraschungsschlag, der so überraschend nicht wäre, weil er eines enormen Truppenaufmarsches bedürfte, würde Nordkoreas konventionelles Arsenal nicht zerstören, einen Gegenschlag etwa auf Seoul mit seinen fast zehn Millionen Einwohnern auslösen, und wohl in einen Krieg gegen China münden. Trump dürften bereits die etwa 250 000 US-Bürger in Südkorea daran erinnern, dass diese Option auch bei seinen Landsleuten keine Unterstützung findet.

Variante zwei ist die diplomatische Eskalation. Dazu bräuchten die USA China, das nach allgemein akzeptierter Analyse allein über den nötigen Einfluss verfügt, Nordkorea gefügig zu machen. Dass Trump auf diese Variante spekuliert, macht eine andere seiner Äußerungen aus den vergangenen Tagen deutlich: "Wir verlieren jedes Jahr Hunderte Millionen Dollar im Handel mit China. ... So wird es nicht weitergehen. Aber wenn China uns hilft, dann werde ich ganz anders auf den Handel schauen." Welche Hilfe Trump exakt erwartet, ließ er offen. Allerdings ergab sich aus dem Kontext, dass er selbstverständlich Chinas Kooperation im Umgang mit Nordkorea erwartet.

Hier beginnt das eigentliche Geschacher, bei dem China auch ein Interesse artikulieren wird: den US-Abzug aus Südkorea. Für frühere US-Regierungen war diese Variante immer undenkbar. Die Position des Isolationisten Trump aber ist nicht bekannt.

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Quelle:
SZ vom 12.08.2017
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