Süddeutsche Zeitung

Nord- und Südkorea:Schlechte Stimmung in Korea

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Kim Yo-jong, die einflussreiche Schwester von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un, versucht, Südkoreas neue Regierung zu zähmen. Die drohte mit einem Präventivschlag.

Von Thomas Hahn, Tokio

Aus der Ferne wirkt Kim Yo-jong wie Nordkoreas Frau fürs Grobe. Die einflussreiche Schwester von Machthaber Kim Jong-un, die einzige Frau im höchsten Machtzirkel der Parteidiktatur, meldet sich immer dann in den Staatsmedien zu Wort, wenn das isolierte Regime den Ton im Verhältnis zum westlich orientierten Bruderstaat Südkorea verschärfen will. Die Wortwahl ist dann oft nicht die feine koreanische Art, sie ist sogar ausgesprochen rüde und bedrohlich. Diesmal sprach Kim Yo-jong sogar von "Vernichtung".

Südkoreas Verteidigungsminister Suh Wook hatte am Freitag erklärt, dass sein Militär "akkurat und zügig" jeden Abschussort treffen könne, wenn es klare Anzeichen dafür gäbe, dass Nordkorea von dort eine Rakete auf den Süden richte. Er hatte damit auf einen möglichen Präventivschlag angespielt, den der konservative designierte Präsident Yoon Suk-yeol für seine Amtszeit vom 10. Mai an als Notfallmaßnahme gegen nordkoreanische Angriffe empfiehlt. Prompt folgte Kim Yo-jongs Einsatz.

Einen "sinnlosen und abschaumartigen Kerl" nannte sie Suh am Sonntag in einem Beitrag für die Arbeiterparteizeitung Rodong Sinmun und erklärte, das "sinnlose Getöse" habe das innerkoreanische Verhältnis "weiter verschlechtert". Am Dienstag legte sie gleich nach, ebenfalls in der Rodong Sinmun. "Ein Präventivschlag auf eine Atommacht ist ein wilder Traum", heißt es in Kim Yo-jongs Text, und schließlich: "Wenn sich die Situation so weit entwickelt, wird es zu einem schrecklichen Angriff kommen und die südkoreanische Armee wird nicht umhinkönnen, eine tragische Vernichtung zu erleiden."

Die Drohung mit dem Atomschlag spielt mit der Angst vor einem Krieg, in dem es keine Gewinner gibt. Wohl deshalb versuchten einzelne Medien in Südkorea, den scharfen Ton der Kim-Schwester als National-Propaganda herunterzuspielen. Der Norden wolle "seine innere Einheit stärken, um sich auf eine mögliche plötzliche Veränderung der innerkoreanischen Beziehungen vor dem Amtsantritt der konservativen südkoreanischen Regierung vorzubereiten", sagte Cheong Seong-chang, Direktor des Zentrums für Nordkorea-Studien am Sejong-Institut, der Nachrichtenagentur Yonhap. Die Parteizeitung Rodong Sinmun richte sich schließlich in erster Linie ans heimische Publikum.

Südkoreas neuer Präsident will "Frieden durch Stärke"

Das stimmt, allerdings greifen immer auch südkoreanische Medien gierig auf, was in den Staatsorganen erscheint, gerade jetzt, da sich Nordkorea gegen das Coronavirus abschottet und der Informationsfluss zäher denn je ist. Und so hatte die Kim-Botschaft eben doch auch eine außenpolitische Dimension.

Die beiden Koreas sind gerade dabei, ihr Verhältnis neu zu sortieren. Und dieses neue Verhältnis beginnt frostig. Die Amtszeit des ausgleichenden Präsidenten Moon Jae-in geht zu Ende. Der Norden hat zuletzt zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder eine ballistische Langstreckenrakete getestet. Und in einem guten Monat übernimmt der Hardliner Yoon die Regierungsgeschäfte in Seoul. Er will "Frieden durch Stärke", fordert die Denuklearisierung nach seinen Konditionen und droht mit besagtem Präventivschlag.

Nordkoreas Regime spürt, dass die Zeiten vorbei sind, in denen seinen Waffentests meistens nur weitere Friedensangebote des freundlichen Demokraten Moon folgten. Yoon wirkt aus Pjöngjangs Sicht unberechenbar. Deshalb drohte Kim Yo-jong auch nicht nur. Sondern erklärte ausführlich, dass die jüngsten Tests keine Bedrohung Südkoreas gewesen sein sollten. Sie wiederholte ein früheres Statement von Kim Jong-un, wonach Südkorea nicht der größte Feind Nordkoreas sei: "Wir stellen noch mal klar, dass wir nicht eine Kugel auf Südkorea feuern werden, weil wir es nicht als Widersacher unserer Streitkräfte sehen." Ihr Verweis auf die Vernichtung der südkoreanischen Truppen sei keine Drohung, sondern eine "detaillierte Erklärung" dessen, was passieren würde, wenn Südkorea auf den Norden schießt.

In der Tat finden viele Experten Yoons Stil zu aggressiv. "Leider hat Nordkorea recht, dass ein Nicht-Atomwaffenstaat nicht bei Trost ist, wenn es einen Atomwaffenstaat bedroht", sagt Van Jackson von der Victoria University in Wellington, ein früherer Pentagon-Beamter, im Portal NK News. Toby Dalton, Nuklearpolitik-Fachmann bei der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden, sagt an gleicher Stelle: "Sich auf die Brust zu trommeln und von Präventivschlägen zu reden, ist nicht hilfreich."

Riesige Raketen zu testen, ist allerdings auch nicht hilfreich. Insofern trägt nicht nur der forsche Yoon zur schlechten Stimmung bei. An einen echten Frieden auf der koreanischen Halbinsel ist gerade nicht zu denken.

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