Treffen in Vietnam:Trump redet erfolgreichen Gipfel herbei
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Von Christoph Giesen und Arne Perras, Hanoi
Die Kulisse im Hotel Metropole in der Altstadt von Hanoi wirkt vertraut, alles sieht fast genauso aus wie vor acht Monaten in Singapur. Damals trafen dort US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un zum ersten Mal aufeinander. Wieder sechs nordkoreanische und sechs amerikanische Flaggen, ordentlich aufgereiht vor der Wand, nur die Palmen fehlen dieses Mal. Trump kommt von links, Kim von rechts. In Singapur war es andersherum. Neun Sekunden schütteln sie sich die Hände. Trump sieht angespannt aus, Kim, anderthalb Köpfe kleiner, ist verschwitzt, er lächelt etwas ratlos.
So beginnt am frühen Abend das zweite Gipfeltreffen zwischen den beiden in der Hauptstadt Vietnams. Kim sagt, er freue sich, dass sie alle Hindernisse überwinden konnten: "Nun sind wir hier." Trump antwortet: "Es ist eine Ehre, den Vorsitzenden Kim zu treffen, es ist eine Ehre, gemeinsam in Vietnam zu sein." Er klopft Kim auf die Schulter, zwei Stühle und ein Tischchen mit Blumengesteck werden herbeigetragen, Trump und Kim nehmen Platz. "Ich habe es viele Male gesagt, ich sage es der Presse, ich sage es jedem, der zuhören will: Ihr Land hat gewaltiges ökonomisches Potenzial, unglaublich, unbegrenzt." Und es geht weiter: "Ich denke, Sie werden eine großartige Zukunft haben", lobt Trump, "Sie sind ein großer Anführer".
Ein Gespräch unter acht Augen als Moment der Sorge
Dann ziehen sich die beiden für 20 Minuten zum Gespräch zurück. Nur die Dolmetscher sind dann noch dabei. Auf amerikanischer Seite ein Moment der Sorge. In Washington gibt es Leute, die befürchten, Trump könnte sich von Kim über den Tisch ziehen lassen. Anschließend gehen sie zum Abendessen. Trump hat Außenminister Mike Pompeo und seinen amtierenden Stabschef Mick Mulvaney an der Seite.
Kim bringt Außenminister Ri Yong-ho und und seinen Chefunterhändler mit, den früheren Geheimdienstchef Kim Yong-chol. Das sind die Leute, die seit Monaten den Boden für die Zweitauflage des Gipfels bereiteten und hart verhandelten. Selbst um die Abfolge des Menüs sollen sie lange gerungen haben. Herausgekommen ist ein Kompromiss: ein wenig Asien, ein wenig westlicher Geschmack.
Vorne weg Krabbencocktail, als Hauptgang dann Steaks mit Kimchi, dem scharfen fermentierten koreanischen Kohl. Zum Dessert: Schokoladentorte mit frischen Beeren und Vanilleeis. Dazu ein koreanisches Getränk mit getrockneten Kaki, gesüßt mit Honig.
Trump wedelt mit einem vietnamesischen Fähnchen
Deutlich komplizierter noch dürften die Gespräche am Donnerstag werden, wenn beide Seiten über die atomare Abrüstung Nordkoreas verhandeln. Als Gegenleistung wäre die Aufhebung der internationalen Sanktionen denkbar. Und nicht nur das: Geht es nach Trump, soll sich Kim Vietnam zum Vorbild nehmen. Das Gastgeberland hat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Wegfall ökonomischer Hilfe aus Moskau seine Wirtschaft geöffnet. Seitdem boomt das Land.
Am frühen Nachmittag hatte Trump den Premierminister Vietnams besucht. "Wir werden sehen, was passiert, aber er will etwas Großartiges tun", sagte der US-Präsident über Kim. "Wenn man sich anschaut, was Sie in kurzer Zeit getan haben, er kann dies in einer sehr, sehr schnellen Zeit machen - Nordkorea zu einer großartigen wirtschaftlichen Macht machen." Trump wedelte dabei mit einem vietnamesischen Fähnchen. Das kam gut an.
Junge Vietnamesen verfolgten den Besuch vor einem der großen Bildschirme, die überall auf Straßen und Plätzen der Stadt aufgebaut sind. Als Trump dem Präsidenten Nguyen Phu Trong vor einer Büste des vietnamesischen Freiheitshelden Ho Chi Minh die Hand schüttelte und beide in die Kameras lächelten, applaudierten die Zuschauer auf dem Platz gleich hinter dem Metropole-Hotel begeistert. Vietnam und die Vereinigten Staaten zelebrierten ihre neue Freundschaft, die Feindschaft und der verlustreiche Krieg schienen in diesem Moment vergessen.
Am Ende der Straße, vor dem Gebäude der Staatsbank, hat ein gepanzerter Mannschaftswagen Stellung bezogen. Schwer bewaffnete vietnamesische Polizeikräfte mit Stahlhelmen und Sturmgewehren patrouillieren auf dem Gehsteig, kein Durchkommen zum Metropole-Hotel, dem Ort des Gipfels. Viel Symbolik verbindet sich mit dem weiß getünchten Kolonialgebäude, das die Franzosen während ihrer Herrschaft in Indochina im Jahr 1901 errichteten und das nun als Bühne für das Treffen zwischen Kim und Trump dient.
Charlie Chaplin verbrachte im Metropole 1936 seine Flitterwochen, Anfang der Siebzigerjahre checkte Hollywood-Star und Kriegsgegnerin Jane Fonda ein. Zu jener Zeit flogen B-52-Bomber Luftangriffe auf die Stadt. Berühmt wurde das Foto von "Hanoi Jane", als sie sich mit nordvietnamesischen Soldaten auf einer Flugabwehrkanone ablichten ließ. Später bedauerte sie die Aufnahme, als sie zu Hause von vielen als Verräterin der amerikanischen Truppen gegeißelt wurde.
Trump redet einen Erfolg des Gipfels herbei
Das Metropole verfügte damals auch über einen geheimen Luftschutzbunker, der erst vor wenigen Jahren wieder entdeckt wurde, als Arbeiter die Poolbar renovierten. Heute bekommt man dort auch den legendären "Martini Graham Greene", den Drink des Hauses, benannt nach dem englischen Schriftsteller, der hier übernachtete. Sein Meisterwerk "Der stille Amerikaner", das sich mit den Abgründen westlicher Arroganz in der kolonialen Ära beschäftigt, spielt allerdings in Saigon, das heute Ho Chi Minh City heißt.
US-Präsident Trump logiert derweil für zwei Nächte im Marriott, einige Kilometer außerhalb des alten Stadtkerns. Von außen erinnern die verschachtelten, verglasten Gebäude an verkeilte Waggons eines entgleisten Zuges. Im Inneren kann man pompöse Marmorhallen durchschreiten, die Trump schon deshalb gefallen könnten, weil an den Wänden etliche Großbildschirme aufgehängt sind, wie er sie auch im Weißen Haus hat installieren lassen.
In der Heimat ist der US-Präsident unter enormen Druck geraten; umso mehr redet er sich schon am ersten Tag in Hanoi einen Erfolg des Nordkorea-Gipfels herbei.