Süddeutsche Zeitung

Neuer Verteidigungsminister de Maizière:Nicht bestellt und doch abgeholt

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Für den neuen Verteidigungsminister de Maizière ist es gut, dass Vorgänger Guttenberg ihm nur einen Rohbau hinterlässt. Die Bundeswehrreform ist nun sein Projekt - und Messlatte für seinen Erfolg oder Misserfolg.

Peter Blechschmidt

Anders als von Karl-Theodor zu Guttenberg behauptet, übernimmt der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière kein "bestelltes Haus". Das Konzept für die Bundeswehrreform stehe, hatte Guttenberg bei seinem Abschied verkündet. Das stimmt, wenn man die Anfang Februar vorgestellten Eckpunkte des Staatssekretärs Walther Otremba für die Neuausrichtung der Truppe nimmt. Es stimmt nicht, wenn man bedenkt, dass Guttenberg noch keine einzige Entscheidung getroffen hat - abgesehen davon, dass die Regierung als Ganzes die Quasi-Abschaffung der Wehrpflicht beschlossen hat, und selbst die ist noch keineswegs Gesetz.

De Maizière wird darüber nicht jammern. Der bisherige Innenminister ist niemand, der lediglich Beschlüsse eines Vorgängers exekutieren will. Jetzt kann er seine eigene Bestandsaufnahme vornehmen und entscheiden, wie er mit all den Vorschlägen und Einschätzungen umgehen will, die er auf seinem Schreibtisch vorfindet. Damit allerdings wird die Bundeswehrreform auch zu seinem Projekt und zur Messlatte für seinen Erfolg oder Misserfolg.

Viel Zeit hat der neue Minister nicht. Gewiss, die Reformen lassen sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Der Umbau des Ministeriums soll nach den bisherigen Plänen bis Ende 2012 abgeschlossen sein. Bis die "neue" Bundeswehr steht, dürften sechs bis acht Jahre vergehen. Gleichwohl muss de Maizière sozusagen einen fliegenden Start hinlegen. Erste Weichenstellungen werden schon bald von ihm erwartet.

De Maizière trifft auf ein Ministerium und auf eine Truppe, die bei aller Verehrung für den bisherigen Oberbefehlshaber tief verunsichert sind. Die Soldaten in Afghanistan fühlen sich von der Öffentlichkeit nicht ausreichend gewürdigt. Probleme mit der Personalführung wie auf der Gorch Fock oder mit der Disziplin im Umgang mit Waffen wie bei der Truppe in Baghlan beschädigen den guten Ruf der Streitkräfte.

Beim Umbau von der Wehrpflicht zur Freiwilligen-Armee hat die Regierung den zweiten Schritt vor dem ersten getan. Zwar gibt es keine Wehrpflichtigen mehr, doch die Rahmenbedingungen für die als Ersatz benötigten Freiwilligen sind ungeklärt. Wer heute zur Bundeswehr gehen soll, will wissen, wie viel er verdient, was es an Verpflichtungsprämien gibt und ob er nach der Dienstzeit auf seinen zivilen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Wichtig ist für viele auch, ob der heimatnahe Standort erhalten bleibt. Wenn die Nachwuchswerbung nicht gelingt, steht die Bundeswehr ganz bald vor nicht finanzierten hohlen Strukturen.

Auf der anderen Seite haben die Streitkräfte einen gewaltigen Personalüberhang. Wohin mit all den Stabsoffizieren, mit all den zivilen Bediensteten, die in einer drastisch verkleinerten Bundeswehr keine Aufgabe mehr haben? Da sind Lösungen gefordert, die auch den sozialen Sprengstoff berücksichtigen, der in einem radikalen Personalabbau steckt.

Ob es um die künftige Kommandostruktur geht, um die Rolle des Generalinspekteurs oder um geringere Stückzahlen bei den Beschaffungsvorhaben - viele Vorschläge, die Guttenberg seinem Nachfolger hinterlässt, sind umstritten. Aber wenn es unter den Spitzenpolitikern einen gibt, dem Zivilisten wie Militärs gleichermaßen das Amt des Verteidigungsministers zutrauen, dann ist es Thomas de Maizière. Ihm wird hohe persönliche Integrität bescheinigt. In vielen Ämtern hat er gelernt, große Organisationen zu führen.

Mit heiklen Themen kann er umgehen - als Chef des Kanzleramtes war er auch für die Geheimdienste zuständig, als Innenminister für die Terrorismus-Abwehr. Und die Nöte der Bundeswehr hat er als Sohn des ehemaligen Generalinspekteurs Ulrich de Maizière schon am Frühstückstisch kennengelernt. So jemand braucht kein bestelltes Haus; er meistert auch eine Großbaustelle.

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Quelle:
SZ vom 03.03.2011
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