Süddeutsche Zeitung

Nahostkonflikt:Drohungen reichen nicht

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Der palästinensische Präsident Abbas wird mit seinen Ankündigungen, die Abkommen mit den USA und Israel zu kündigen, nichts erreichen. Aber es könnte einen anderen Weg für die Palästinenser geben.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat das gemacht, was er in solchen Situationen immer tut: Er hat Drohungen ausgestoßen. Abbas hat angekündigt, dass sich die Palästinenser nicht mehr an bestehende Abkommen und Vereinbarungen mit Israel und den USA gebunden fühlen. Damit erhöht er den Druck auf die neue israelische Regierung, die angekündigte Annexion von Teilen des Westjordanlandes nicht umzusetzen. Denn Netanjahu hat sich mit seiner Forderung durchgesetzt, dass er die Möglichkeit zu diesem Schritt von Juli an hat - und dies wurde auch erstmals in einem Koalitionsabkommen einer israelischen Regierung fixiert.

Ob die Ankündigung des palästinensischen Präsidenten tatsächlich praktische Auswirkungen hat, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Denn Abbas hat schon bei anderen Gelegenheiten wie der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem und zuletzt im Streit um zurückgehaltene Steuer- und Zolleinnahmen durch Israel solche Drohungen ausgesprochen - aber dennoch die Sicherheitskooperation mit Israel fortgeführt.

Denn der Kampf gegen Extremisten ist auch in seinem Sinne, weil dadurch im innerpalästinensischen Machtkampf Abbas' Rivalen ausgeschaltet werden - etwa Hamas-Anhänger im Westjordanland. Israelische Truppen sind im besetzten Westjordanland stationiert und führen regelmäßig Razzien in palästinensischen Städten und Gemeinden durch, die sie normalerweise mit palästinensischen Sicherheitskräften koordinieren. Deshalb hat Abbas seinen Ankündigungen zum Trotz die Zusammenarbeit mit den israelischen Sicherheitskräften bisher stets fortgesetzt.

Mit dieser Drohung, die in vergleichsweise moderatem Ton vorgetragen wurde, reagiert der greise palästinensische Präsident auch auf Druck aus den eigenen Reihen seiner Fatah-Organisation und von politischen Kontrahenten wie den radikalislamischen Gruppen Hamas und Islamischer Dschihad im Gazastreifen. Auch in der Bevölkerung baut sich die Spannung auf, wie die Zunahme der Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten in den vergangenen Tagen zeigt, bei denen es Tote gab. Der Einfluss des 84-jährigen Präsidenten insbesondere auf junge Palästinenser schwindet zunehmend, die Korruptionsvorwürfe gegen die Palästinensische Autonomiebehörde untergraben seine Autorität.

Dass US-Präsident Donald Trump die Palästinenser nicht an den Verhandlungstisch gebeten und den Nahostplan nur nach den Vorstellungen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu entworfen hat, ist ein inakzeptables Vorgehen. Der Plan entspricht israelischen Wünschen durch die Aufnahme der Forderung nach Annexion des Jordantals und der Gebiete, auf denen die etwa 200 Siedlungen stehen. Damit wird völkerrechtswidriges Vorgehen legalisiert und den Palästinensern soll auch noch etwa 30 Prozent der bisherigen Fläche des Westjordanlandes weggenommen werden. Außerdem soll dieser Plan umgesetzt werden - egal, was die Palästinenser dazu sagen. Die Palästinenser sind klar benachteiligt.

Aber die Palästinenser hätten die Zeit seit der Präsentation des US-Plans im Januar nutzen müssen, um ihrerseits ein Konzept für eine Zwei-Staaten-Lösung zu entwerfen und als Verhandlungsgrundlage vorzustellen. Denn der US-Vorschlag, wonach den Palästinensern in ferner Zukunft ein aus verschiedenen kleinen Flecken Land bestehender Staat zugestanden werden soll, ist absurd. Die Palästinenser hätten konkrete Vorschläge machen und Forderungen stellen sollen, statt mit den bekannten Floskeln zu reagieren.

Von Drohungen lassen sich weder Trump noch Netanjahu beeindrucken oder gar abhalten. Außerdem können die Palästinenser nicht mehr auf die ungeteilte Unterstützung der EU zählen. Österreich und Ungarn haben in den vergangenen Tagen verhindert, dass es zumindest einen gemeinsamen Appell der 27 Staaten gibt, keine einseitigen Schritte der Annexion zu setzen. Netanjahu hat sich mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán zwei gleichgesinnte Freunde gesucht, mit deren Hilfe er einen Keil in die EU treiben kann.

Dazu kommen Länder wie Deutschland, die vor Sanktionen gegenüber Israel zurückschrecken. Doch auch wenn die EU Reaktionen wie jene im Zusammenhang mit der Krim-Annexion durch Russland nicht anstrebt, hätte sie ein Druckmittel: Israel den Zugang zu EU-Forschungsgeldern im Rahmen des Horizont-2020-Programms zu sperren. Israel hat seit 2014 insgesamt 1,3 Milliarden Euro erhalten.

Die Uneinigkeit der Europäer erweitert den Handlungsspielraum von Netanjahu, der keine konkreten Maßnahmen der EU als mögliche Reaktion auf die Umsetzung seiner Annexionspläne befürchten muss. Die üblichen Aufrufe, dass man für eine Zwei-Staaten-Lösung sei, können sich die Europäer auch sparen, wenn sie nicht bereit sind, dafür etwas zu tun. Die verpuffen genauso wie die Drohungen der palästinensischen Führung. Netanjahu orientiert sich ohnehin nur an den USA und nimmt die Europäer als lästige Kritiker wahr.

US-Außenminister Mike Pompeo hat zwar bei seinem Besuch in der Vorwoche in Jerusalem Fortschritte bei der Umsetzung des Nahostplans angemahnt. Aber Pompeo hat nach einem Gespräch mit dem neuen "alternierenden Ministerpräsidenten" Benny Gantz und Außenminister Gabi Aschkenasi mit der Forderung nach Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern sowie Partnern in der Region aufhorchen lassen. Dieses Angebot sollten die Palästinenser aufgreifen und ihre Vorstellungen präsentieren. Dann müssten sich auch die arabischen Länder positionieren, wie ernst es ihnen mit der Unterstützung eines Staates für die Palästinenser tatsächlich ist - auch da gibt es bisher vor allem Ankündigungen. Eine Zwei-Staaten-Lösung kann nur auf dem Verhandlungsweg mit einem Dialog zwischen Partnern und einem Ringen um Umsetzungsmodelle erreicht werden - nicht mit Drohungen und nicht mit einseitigen Schritten.

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